Wie Knappheit bei Universalgütern hergestellt wird
Aus: krisis 31, 2007
Stefan Meretz
In diesem Text geht es um eine aneignungstheoretische Untersuchung der gesellschaftlichen Produktion und Nutzung von Universalgütern. Vor die Diskussion der Frage, wie der Kampf um die Warenform bei Universalgütern ausgetragen wird, stelle ich eine phänographische Vorklärung1 der in diesem Kontext verwendeten Begriffe. Dabei knüpfe ich an den Artikel von Ernst Lohoff „Der Wert des Wissens. Grundlagen einer Politischen Ökonomie des Informationskapitalismus“ (Lohoff 2007, in diesem Heft) an.
Die Schwierigkeit beim Zugang zu diesem Thema liegt in der Überschneidung von vier Dimensionen bei der Produktion und Nutzung von Gütern, die häufig miteinander vermengt werden: die stoffliche Beschaffenheit, die Nutzungsweise, die gesellschaftliche Form und die Eigentumsform. Diese Dimensionen sollen im Folgenden einzeln dargestellt werden, um anschließend den Begriff des „Universalguts“ näher zu spezifizieren und vom verwandten Begriff des „Allgemeinguts“ abzugrenzen.
Die Dimension der stofflichen Beschaffenheit fasst den Unterschied von stofflichen und nicht stofflichen Gütern. Stoffliche Güter besitzen eine physische Gestalt, ihre Gebrauchsfähigkeit drückt sich darin aus. Sie können folglich auch verbraucht oder vernichtet werden, was das Ende der gebrauchsfähigen physischen Gestalt zur Folge hat. Nicht stoffliche Güter besitzen keine physische Gestalt, sie brauchen gleichwohl einen physischen Träger bzw. bei Dienstleistungen einen Erbringer, um existieren zu können. Nicht stoffliche Güter können nicht verbraucht und nur dann vernichtet werden, wenn alle physischen Träger vernichtet sind. Dienstleistungen existieren ohnehin nur temporär im Akt der Erbringung, hier fallen Produktion und Konsumtion zusammen. Beispiele: Der Computer ist ein stoffliches Gut, ebenso die DVD; der Film auf dem stofflichen Träger DVD ist hingegen nicht stofflicher Beschaffenheit. Die Beratung per Hotline, um einen Fehler beim Abspielen des Films zu beheben, ist eine Dienstleistung.
Bei der Dimension der Nutzungsweise geht es um den praktischen Vollzug der Nutzung des Guts und die Konsequenzen. Hierbei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Ausschließbarkeit und Rivalität. Güter sind in der Nutzung dann ausschließbar (exklusiv), wenn der Zugriff auf die Güter unterbunden werden kann. Sie ist nicht ausschließbar (inklusiv), wenn der Zugriff potenziell allen möglich ist. Güter sind in der Nutzung rivalisierend (auch kurz: rival), wenn die Nutzung durch die einen die Nutzung für andere einschränkt oder verhindert. Sie sind nicht rival(isierend), wenn ihre Nutzung keine Nutzungseinschränkung für andere zur Folge hat. Beispiele: Das Brötchen ist im Konsum ausschließbar und rival. Ich kann solange vom Verzehr ausgeschlossen werden, bis ich es kaufe. Und wenn ich es verzehre, kann das niemand anderes mehr tun. Die Nutzung des ohmschen Gesetzes ist hingegen weder rival, noch kann ich davon ausgeschlossen werden. Bezahl-Fernsehen erscheint ohne Decoder nur als Rauschen auf dem Bildschirm, seine Nutzung ist also ausschließbar, jedoch nicht rival – empfange ich das Programm, so beeinträchtigt das den Empfang durch andere nicht. Eine öffentliche Straße hingegen ist grundsätzlich für alle da, ihre Nutzung ist jedoch rival – eine Tatsache, die sich im Stau besonders anschaulich Geltung verschafft.
Die Dimension der gesellschaftlichen Form befasst sich mit dem Unterschied von Waren und Nicht-Waren und der Art der sozialen Beziehungen, die diese konstituieren. Waren sind Güter, die nicht für den eigenen Verbrauch, sondern für den Tausch zum Zwecke des Verkaufs hergestellt wurden.2 Nicht-Waren sind solche Güter, die nicht getauscht, sondern nur weitergegeben, genommen oder selbst genutzt werden. Beispiele: Ein Brötchen ist eine Ware, wenn es nicht für den Eigenverbrauch, sondern für den Verkauf, also den Tausch gegen die allgemeine Ware „Geld“ hergestellt wird. Backe ich mir selbst oder meinen Freunden Brötchen, dann sind sie keine Ware. Die damit verbundenen sozialen Beziehungen sind sehr unterschiedlich. Im Fall der Ware stellt sich eine soziale Beziehung nur vermittelt über die Warendinge her, wodurch „das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen … die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt“ (Marx 1890, S. 86). Dies nannte Marx bekanntlich „den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden“ (ebd., S. 87). Demgegenüber lassen sich die unfetischistischen sozialen Beziehungen im Falle von Nicht-Waren nicht begrifflich uniformieren, sind sie doch so vielfältig wie das Leben selbst.
Bei der Dimension der Eigentumsform geht es um die rechtliche Gestalt der Güter. Das Privateigentum ordnet eine Sache einer natürlichen oder juristischen Person zu. Gemeineigentum (früher auch: Allmende) ist heute in der Regel staatliches Eigentum und als solches frei zugänglich (öffentliche Güter). Sonderfälle sind nicht frei zugängliche staatlich verwaltete Privatgüter. Freie Güter schließlich sind nicht eigentümliche Güter ohne juristisch verankerte Zugangsbeschränkung. Beispiele: Die private Bäckerei befindet sich im Privateigentum, was allerdings praktisch keinen Unterschied zu einer Staatsbäckerei macht, denn die Kaufbrötchen sind Waren hier wie dort. Zu den freien Gütern zählt die sprichwörtliche „Luft zum Atmen“ – unabhängig von ihrer Verträglichkeit.
Hier ist nicht der Ort, alle möglichen Kombinationen durchzugehen. Hier soll begründet werden, dass Informations-, Wissens- und Kulturgüter mit dem üblicherweise verwendeten Begriff des Allgemeinguts nicht ausreichend erfasst sind. Sie besitzen Eigenschaften, die sie von anderen Allgemeingütern derart abheben, dass der eigenständige Begriff des „Universalguts“ – wie von Ernst Lohoff vorgeschlagen – gerechtfertigt ist.
Allgemeingüter und Universalgüter unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der stofflichen Dimension in Kombination mit ihrer Nutzungsweise. Allgemeingüter können sowohl stofflicher wie nicht stofflicher Natur sein. Sie sind entweder rivalisierend im Gebrauch (etwa: Wasser) oder nicht rivalisierend (etwa: Deich), jedoch stets nicht exklusiv in der Nutzung. Allgemeingüter können nicht Waren sein. Werden sie zu Waren, hören sie sofort auf Allgemeingüter zu sein. Öffentliche Güter sind staatlich erzeugte und unterhaltene Allgemeingüter. Sie können steuerfinanziert oder mit einer Gebühr belegt sein. Schließlich können Allgemeingüter freie Güter sein (etwa Luft). Universalgüter sind nicht stofflicher Natur, nicht exklusiv und nicht rivalisierend im Gebrauch. Sie können dennoch zum Bezahlgut werden. Dies ist dann möglich, wenn der Zugriff auf das eigentlich nicht exklusive Universalgut eingeschränkt oder verhindert wird – etwa durch Drohung mit rechtlichen Sanktionen oder dem Universalgut äußerlich hinzugefügte technische Zugangsbeschränkungen. Das ist das weitere Thema dieses Textes.
Wird der Gebrauch von stofflichen Allgemeingütern exklusiviert, dann werden daraus Privatgüter, also Güter im Privateigentum, die Waren sein können. Wird der Gebrauch von Universalgütern exklusiviert, dann bleibt deren Universalgut-Charakter zwar erhalten, sie verwandeln sich jedoch in privatisierte Universalgüter (vgl. Lohoff 2007). Während also das Adjektiv „allgemein“ bei Allgemeingütern auf die nicht eingeschränkte Nutzung abzielt, beschreibt das Adjektiv „universell“ bei Universalgütern die genuinen Eigenschaften des Gutes. Ihre Universalität ist auch nicht durch eine gesellschaftliche, rechtliche oder technische Form aufhebbar, allein der Zugang kann eingeschränkt werden. Ein privatisiertes Universalgut besitzt paradox anmutende Eigenschaften: Es kann nicht getauscht werden, da kein „Händewechsel“ stattfindet, denn nach der Hingabe des Gutes bleibt es unverändert in der Verfügung des ursprünglichen Besitzers; die Verbreitung kann gleichwohl an monetäre Transaktionen gebunden werden, das Gut kann sich also in ein Bezahlgut verwandeln. Ein privatisiertes Universalgut besitzt mithin auch keinen Warencharakter, ist also streng genommen gar keine Ware, dennoch kann es „Warenform“ annehmen.3 Diese Paradoxien – als gäbe es in der Warengesellschaft nicht schon genug – sind bestens dafür angetan, den wirklichen Gesamtzusammenhang zu verschleiern, weil sie zu einseitigen und damit falschen Schlüssen verführen (ausführlicher dazu vgl. Lohoff ebd.).
Nach dieser phänographischen Vorklärung4 nun zu den Aneignungskonflikten rund um die Universalgüter Wissen, Software5 und Kultur. Die paradoxen Eigenschaften von privatisierten Universalgütern bringen Ambivalenzen in Produktion und Distribution hervor, die sowohl auf die immanenten Grenzen der Verwertungslogik verweisen wie auf alternative Handlungsmöglichkeiten jenseits der kapitalistischen Formen. Anders als die Propagandisten der Verwertung behaupten, bieten privatisierte Universalgüter keinen neuen Schub der Wertproduktion, denn aufgrund ihres waren- und wertlosen Charakters sind sie nur in der Lage „Informationsrenten“, also eine Umverteilung anderswo produzierter Wertmassen, zu generieren. Da der Kampf um die bloß äußerliche „Warenform“ auf rechtlicher und technischer Ebene ausgetragen wird, eröffnet sich hier auch ein Zugang zur Frage alternativer Handlungsformen, die auf eine gesamtgesellschaftliche Vermittlung jenseits von Tausch, Markt, Wert und Staat verweisen.
Welchen Verlauf der Kampf um die Warenform bei Universalgütern nehmen wird, ist offen. Um hier eingriffsfähig zu werden, ist es notwendig, die Widersprüche im Feld sowohl hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit wie ihrer Besonderheit zu begreifen. Das ist kein einfaches Unterfangen, da neben der bürgerlichen Ideologie als notwendige und auch formadäquate Widerspiegelung der immanenten Handlungsanforderungen an das Warensubjekt auch kritische Ansätze eben jene Ideologie unbewusst aufgreifen und theoretisch reproduzieren. Wie stets spielen dabei zentrale Leitbegriffe eine wichtige denk- und damit handlungsleitende Rolle. In diesem Aufsatz soll es dabei um den Begriff der Knappheit gehen. An ihm will ich exemplarisch zeigen, wie der Rückgriff auf bürgerliche Denk-Kategorien entgegen der Intention der Urheber auf Kosten des kritischen Gehalts ihrer Ansätze geht. Dabei steht die Auseinandersetzung mit den alternativen Denkangeboten am Anfang. Der Standpunkt meiner Kritik bleibt zunächst noch im Hintergrund und wird erst im zweiten Schritt expliziert.
Die Demontage des Knappheitsbegriffs macht es möglich, den wenig geräuschvollen, aber eminent brisanten Kampf um die Warenform bei Universalgütern am Beispiel digitaler Universalgüter wie Software, Kultur- und Wissensprodukten darzustellen. Besonderes Augenmerk richte ich dabei auf das Digital Restrictions Management. Dies eröffnet – so ist zu hoffen – eine klarere Perspektive auf alternative Ansätze wie die weiter wachsenden freien Bewegungen im Bereich von Software, Kultur und Wissen.
Knappheit als Kategorie
Der Begriff „Knappheit“ ist eine Erfindung der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre. Sie geht so: Man nehme einen Alltagsbegriff, in diesem Fall das Wort „knapp“ – laut Wörterbuch bedeutet es „eng anschließend, kärglich, eben zureichend, nicht in vollem Maße“, irgendwie „zu wenig von etwas“. Dann setze man die Bedürfnisse der Menschen auf „unendlich“ – wollen wir nicht immer mehr von etwas? Drittens halte man fest, dass Güter nun einmal „endlich“ sind – es gibt von etwas immer nur abzähl- oder messbar viel. Nun rühre man um: Ein Endliches bezogen auf ein Unendliches ergibt unweigerlich „Knappheit“. Ist doch nicht schwer! Noch einmal bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia (2007a) rückversichert: „Volkswirtschaftlich ist ein Gut genau dann knapp, wenn bei einem Preis des Gutes von Null mehr nachgefragt werden würde als zur Verfügung steht. Knappheit ist damit als Ursache des Wirtschaftens zu betrachten.“ Nun, mit dem Preis als weiterer Größe im Bunde, folgt zwingend, dass bei einer Nachfrage über das Maß der Verfügbarkeit hinaus es einen Preis größer Null geben muss, so dass „Wirtschaften“ stattfinden kann, damit die Bedürfnisse befriedigt werden können – wenigstens ansatzweise angesichts ihrer postulierten Unendlichkeit.6 Da alle Zutaten angeblich zu allen Zeiten gültig und somit naturale Größen sind, findet „Wirtschaften“ immer statt – gestern, heute und auf ewig.
Was geschieht nun, wenn es von einem Gut angesichts einer „Nachfrage“ genug gibt? Ist dann alles bestens? Weit gefehlt, denn es findet ja nun kein „Wirtschaften“ mehr statt, das gerade das produzieren soll, was wir über das Maß des Verfügbaren hinaus brauchen sollen, damit „Wirtschaften“ stattfindet.7 Damit jener Stillstand etwa angesichts von erreichter Bedürfnisbefriedigung nicht eintritt, damit also Bedürfnisbefriedigung nicht eintritt, auch nicht sektoral oder temporal trotz unter Umständen vorhandener Möglichkeiten, sprich: vorhandener Güter, müssen diese Güter „künstlich knapp“ gemacht werden, am besten präventiv. „Künstliche Knappheit“ ist somit sehr schlicht definiert als Situation, in der „der Produzent eines Produktes das Angebot unterhalb der Nachfrage hält“ (Wikipedia 2007b). Das schließt ungesagt ein, dass Produkte als Angebot und Nachfrage zirkulieren, also Warenform annehmen.
Soweit die Begriffe „Knappheit“ und „künstliche Knappheit“. Wie können wir sie dekonstruieren? Es gibt mehrere Ansätze. In der Regel operieren Kritiken der Knappheit mit dem Begriff der Knappheit selbst. Die zugrunde liegende gesellschaftliche Regulationsform von Ware, Geld und Markt wird damit zunächst akzeptiert. Das ist auch vertretbar, wenn klar bleibt, dass sich die Kritik nur innerhalb der Logik der Warenform bewegt. Genau das geschieht jedoch häufig nicht.
Bei der Untersuchung solcher Knappheitskritiken stellen sich zwei Probleme. Einerseits führt der unkritische, affirmative Gebrauch des Knappheitsbegriffes dazu, dass Bestandteile der bürgerlichen Vorstellungen in die eigene Argumentation Eingang finden. Andererseits blenden die Knappheitskritiken zumeist die Differenz von Waren und privatisierten Universalgütern in Warenform aus. Im Folgenden geht es zunächst um den folgenreichen Import, allein der Knappheitsbegriff als Leitkategorie kritischer Argumentationen wird infrage gestellt. Erst anschließend an die Kritik des gängigen Knappheitsbegriffs, die anhand nicht universeller „normaler Güter“ entwickelt wird, behandle ich die zusätzliche Problematik der Güterform selbst. Diese Vorgehensweise werde ich am Beispiel zweier kritischer Ansätze durchführen, die sich explizit dem Thema der Knappheit widmen.
Zum ersten Beispiel. Das Wiki „Freie Gesellschaft“8 liefert folgende Definition von Knappheit (FG-Wiki 2007a): „Natürliche Knappheit liegt vor, wenn Güter nicht in ausreichendem Maße vorhanden oder produzierbar sind, aufgrund ‚natürlicher‘ Faktoren wie der Abhängigkeit von endlichen Ressourcen oder nutzbarem Raum. Unterproduktion liegt vor, wenn Güter zwar in ausreichendem Maße hergestellt werden könnten, aber sich nicht genügend Menschen finden um dies tatsächlich zu tun. Künstliche Knappheit ist eine von Menschen hergestellte Verknappung an sich nicht knapper Dinge (etwa durch Kopierverbote und Kopierschutzmechanismen bei Software).“ Im ersten Durchgang lesen sich die drei Bestimmungen vernünftig und kritisch. Beim genaueren Hinsehen offenbaren sich erhebliche Schwächen.
Die Natürlichkeit der ersten Knappheitsform wird mit dem Bezug auf „endliche Ressourcen oder nutzbarem Raum“9 begründet. Gleichzeitig wird die Natürlichkeit wieder dadurch aufgehoben, dass von Gütern die Rede ist, die nicht „in ausreichendem Maße“ – hier kommt implizit der Bedürfnisbezug ins Spiel – „vorhanden oder produzierbar“ sind. Augenfällig tritt der Widerspruch im Falle des Produzierens zutage. Produzieren bedeutet gerade nicht bloßes Vorfinden eines „Naturgegebenen“, sondern verweist auf den „Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur“, den Marx als „ewige Naturnotwendigkeit“ (Marx 1890, S. 57) gesellschaftlicher Vermittlung festhielt.10 Das „Natürliche“ besteht also hier in der Tatsache, dass Menschen ihre Lebensbedingungen herstellen und nicht darin, dass sie der Natur schon Vorhandenes entnehmen – wie der Verweis auf die endlichen Ressourcen nahelegt. Die Differenz zwischen Produzieren und bloßer Naturentnahme scheint auch in der Definition selber auf, werden doch jene „endlichen Ressourcen“ nur unter Vorbehalt – nämlich durch Kennzeichnung mit Anführungsstrichen – als „natürlich“ gekennzeichnet. Aber nicht erst die Klassifizierung der Produktion als Naturgegebenheit ist problematisch; schon die Interpretation des bloß Vorhandenen als scheinbar eindeutige Naturgegebenheit lässt sich näher besehen nicht halten.
Auch das bloß Vorhandene ist nämlich kein „natürliches Gut“ im Sinne eines bloß da-seienden von der menschlichen Produktion unberührten Dings. Die Produktion hat – ob intentional oder nicht – das „natürlich Vorhandene“ in einer Weise umgestaltet, dass jener notwendige Stoffwechsel teilweise bedrohlich eingeschränkt oder lokal sogar gänzlich unmöglich geworden ist. Natur im Sinne einer gegenüber allem menschlichen Zutun präexistenten Rohform ist so gut wie gar nicht mehr vorhanden. Natur ist längst global produzierte Stoffwechsel- und also Lebensbedingung für jenes Produzieren. Damit produzieren Menschen nicht nur ihre Lebensbedingungen, sondern sie produzieren darüber hinaus gleichzeitig auch die Bedingungen für die Produktion der Lebensbedingungen. Dabei ist die Ausgestaltung des menschlich-naturnotwendigen Stoffwechsels keine überhistorische, formneutrale Angelegenheit, vielmehr handelt es sich bei den heute vorherrschenden destruktiven Formen der Reichtumsproduktion um die notwendige Verlaufsform der Verwertungslogik, die „zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter“ (ebd., S. 530).
Werden Lebensbedingungen der Menschen grundsätzlich als produziert begriffen, so ist durchaus eine gesellschaftliche Form vor- und herstellbar, die nicht destruktiv ist, sondern die Bedingungen für den Stoffwechsel und den Menschen im Prozess selbst erhält, also gute Voraussetzungen für die Produktion guter Lebensbedingungen sicherstellt. Will man diese Frage aufwerfen, dann kann man die Bedürfnisse jedoch nicht nur beiläufig und implizit ansprechen, sondern muss sie ins Zentrum rücken. Sobald man dies tut und „Produzieren“ im umfassenden Sinne als Herstellung der menschlich-gesellschaftlichen Lebensbedingungen im Verhältnis zu den historisch-spezifischen Bedürfnissen begreift, anstatt es an eine separate Sphäre namens Ökonomie als vor sich hinfunktionierende quasi-kybernetische „Maschine“ zu delegieren, wird ein Begriff wie „natürliche Knappheit“ obsolet.11 Denn genau besehen setzt ein solcher Begriff die Sphärenspaltung – wertbasierte bedürfnisentfremdete Ökonomie hier, wertabgespaltene bedürfnisbasierte Sphäre dort – bereits voraus, indem er „Produktion“ als das Eigentliche und „Bedürfnisse“ als das Nachträgliche trennt, die erst in der Zirkulation im Tausch „Ware gegen Geld“ zusammenkommen.
Sind nicht aber tatsächlich Ressourcen „natürlich endlich“? Ist das Öl nicht „natürlich knapp“? Ist es nicht so, dass nicht jeder am Ufer eines Sees wohnen kann, weil dieses nun einmal eine endliche Länge hat? Solche und andere Fragen lassen sich nur vor dem Hintergrund einer bereits unterstellten Spaltung von Produktion und Zirkulation formulieren, sie sind – wie Marx sie an anderer Stelle genannt hat – „objektive Gedankenformen“ (ebd., S. 90), ideologische Formen. Danach geht es scheinbar auf dem Markt darum, welche „Bedürfnisse“ befriedigt werden können, für die „die Produktion“ nur die Mittel bereitstellt. „Bedürfnisse“ werden dabei partialisiert, denn sie müssen die Form des kaufkräftigen Bedarfs annehmen und nur in dieser Form und unter Absehung jeglicher Entstehungsbedingungen kann das jeweilige partielle „Bedürfnis“ an die Befriedigungsmittel gelangen. Hier hat sich das Verhältnis von Bedürfnissen und Produktion verkehrt: Produktion ist nicht eine Form der Herstellung aller Lebensbedingungen zur Befriedigung von Bedürfnissen, sondern die Bedürfnisse sind dazu da, als partialisierter, geldförmiger Bedarf auf bereits Produziertes zu treffen, bei dem nicht nur über die Darreichungsform der durch Kauf zu erwerbenden Ware, sondern über extrem viele andere Bedürfnisse mitentschieden wird. Jeder Kauf ist nicht nur eine Entscheidung für ein Produkt. Ob der Käufer will oder nicht rechtfertigt der Kaufakt implizit gleichzeitig den Ressourcenverbrauch und die produktionsbegleitenden Zerstörungen, die letztlich auch von den Menschen ertragen werden müssen und – global unterschiedlich verteilt – die Reproduktionsbedingungen unterminieren. Auch wenn sich diese Konkurrenz der Bedürfnisse hinter unserem Rücken vollzieht, sind ihre absurden Resultate wohl bekannt und werden allseits beklagt.
Die drei vorher genannten Fragen spiegeln genau die beschriebene Denkform wider und isolieren Bedürfnis und Produkt voneinander. Das Produkt ist bereits „da“ und nun frage ich: Werden die Ressourcen reichen, wenn wir so weitermachen? Stoffwechsel bedeutet Umsatz von kohlenstoffbasierten Energieträgern: Wird „Peak-Oil“ nicht demnächst schon überschritten? Die Menschen wollen nun einmal am Wasser wohnen: Sind die entsprechenden Grundstücke nicht längst vergeben? Es erscheint undenkbar, ja geradezu irrwitzig, Bedürfnisse und Produkte wieder in ein bewusstes gesamtgesellschaftliches Verhältnis zu setzen. Das würde bedeuten, gesellschaftlich danach zu fragen, für welche Bedürfnisse wir mit welchem Aufwand welche „Produktion“ betreiben wollen, wie wir mit Begrenzungen umgehen, wie viel menschliche Energie wir für die Reparatur der Verheerungen kapitalistischer Produktion aufbringen wollen, welche Bedürfnisse wir heute, morgen oder erst übermorgen befriedigen wollen, unter Abwägung der Möglichkeiten der Herstellung der Befriedigungsmittel. Unter Bedingungen, unter denen solche Fragen als Verhältnis von Bedürfnissen und Möglichkeiten zu ihrer Befriedigung gesellschaftlich thematisierbar und umsetzbar wären, unter denen das Verhältnis wieder auf die Füße des Bedürfnisses gestellt wäre, gäbe es keine „Knappheit“. Denn Knappheit ist eine notwendige soziale Form der Warenproduktion, die ex post die zerrissene Beziehung der von den Bedürfnissen entkoppelten Produktion wieder mit nun ausschließlich geldbewährten Bedarfen auf dem Markt vermitteln muss. Dazu gleich mehr.
Die adjektivische Kennzeichnung als „natürliche Knappheit“ legt sein Gegenstück zwanglos nahe: Wenn Knappheit „natürlich“ sein kann, dann wohl auch „künstlich“, und zwar, wenn es sich um eine „Verknappung an sich nicht knapper Dinge“ (FG-Wiki 2007a) handelt. Es gibt also anscheinend „an sich“ (natürlicherweise) reichliche (nicht knappe) und knappe (nicht reichliche) Dinge. Während bei der natürlichen Knappheit zuerst der Widerspruch zum Herstellungsakt ins Auge sprang, der eine behauptete genuine Natürlichkeit dementierte, so ist es hier gleichsam spiegelverkehrt die Abwesenheit der Produktion: Herstellung taucht hier nur auf als von Menschen hergestellte Verknappung, also als das Gegenteil von Herstellung, als Einschränkung von bereits Hergestelltem. Knappheit erscheint hier als Problem der Allokation, der Verteilung. Das ist wahr und falsch zugleich.
Wahr ist, dass es unzählige Beispiele gibt, in denen der Zugriff auf vorhandene Güter durch Einsatz von Rechtsform, Gewalt und Arbeitskraft unterbunden wird. Die Wikipedia-Definition nennt als Beispiel Software; genauso gut ließen sich auch die Million Paar Turnschuhe anführen, die im November 2006 im Hamburger Hafen entdeckt und schließlich verbrannt wurden, weil die Herstellerfirma keinen Lizenzvertrag mit dem Markeninhaber abgeschlossen hatte und die deshalb medial als „Fälschung“ bezeichnet wurden. Unwahr ist jedoch, dass es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, der nur an einem Teil aller vorhandenen Güter exekutiert wird, wie es das Adjektiv „künstlich“ nahelegt. Vernichtungsaktionen kommen nicht nur häufig vor, prinzipiell ist jede Knappheit künstlich, da Knappheit mitnichten ein ontologisches Faktum oder eine Begleiterscheinung von „Produktion“ schlechthin ist und von der Nutzenseite der Güter her keinesfalls erforderlich wäre, sondern Eigenschaft der Warenproduktion als historisch-spezifischer Form der Produktion. Gleichzeitig ist damit insofern aber auch jede Knappheit natürlich, als Knappheit eine notwendige Wareneigenschaft ist, also der Natur der Warenproduktion entspricht, in der Bedürfnisse und Produkte erst ex post vermittelt werden. Knappheit ist kein den Waren äußerlich aufgeprägter Zusatz, kein bloßes Allokationsproblem, sondern genuiner Bestandteil der Produktion von Gütern als Waren.
An dieser Stelle sei die zweite, bisher ausgeblendete Problemdimension ins Spiel gebracht, denn privatisierte Universalgüter stellen eine gewichtige „Anomalie“ (Lohoff 2007) dar. Privatisierte Universalgüter sind äußerlich in Warenform gebrachte Güter, die gleichwohl ihren Universalcharakter nicht verlieren. Obgleich Bezahlgüter in Warenform sind es im engeren Sinne keine Waren. Diese Abspaltung der Form von der Substanz bildet den Kern der Anomalie, die privatisierte Universalgüter auszeichnet. Hier kann man mit einiger Berechtigung davon sprechen, dass den Gütern die Knappheit künstlich aufgeprägt wurde. Hier muss additiv hergestellt werden, was die Produktion nicht erbringt, weil Universalgüter keine Waren sein können. Diese äußerliche, additive Form sorgt zwar für Verkaufbarkeit, nicht jedoch für Werthaltigkeit: Universalgüter, ob in privatisierter oder freier Form, sind und bleiben ohne Wertsubstanz. Das bedeutet für ihren Verkauf, dass angeeignete Geldsummen anderswo produzierte Wertsubstanz umleiten. Die Konsequenzen dieser Form der „Informationsrenten-Ökonomie“ können hier nicht diskutiert werden.
Neben der natürlichen vs. künstlichen Knappheit führen die Autorinnen und Autoren eine weitere Knappheitskategorie im FG-Wiki ein – ist doch nicht der gesamte Argumentationsraum der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre abgedeckt. So wurde für den Fall des „Nachfrageüberhangs“ (Nachfrage größer als Angebot) aufgrund fehlender Produktion der Begriff „Unterproduktion“ gewählt. Denn ganz offensichtlich sei es doch so, dass bestimmte Dinge nicht hergestellt werden: „Es ist … zumeist mangelnde Rentabilität – und nicht Knappheit, d.h. Mangel an benötigten Ressourcen –, die dazu führt, dass Dinge nicht produziert werden, obwohl Bedarf für sie da wäre.“12 (FG-Wiki 2007b) Die Unterproduktion aufgrund zu geringen Profits fällt hier deswegen in eine eigene Knappheitskategorie, weil der ursächliche Zusammenhang aller drei Aspekte nicht gesehen wird. Der Grund dafür ist der theoretische Nachvollzug der in der bürgerlichen Gesellschaft vorhandenen Trennung von Produktion und Bedürfnisbefriedigung. Die Behauptung, die Knappheitsform „Unterproduktion“ würde auftreten, wenn der Profit nicht stimmt, unterstellt, dass bei ausreichendem Profit eigentlich keine Knappheit aufträte. Das ergibt auch Sinn, wenn hier nun die „künstliche Knappheit“ einspringt, die dann „an sich nicht knappe Dinge“ verknappt. Das jedoch mystifiziert die Knappheit zu einem der Ware generell äußerlichen Phänomen, wie sie bei privatisierten Universalgütern doch so offensichtlich zu beobachten ist: Die separierte Produktion ist zwar im Kapitalismus profitgetrieben, sie erscheint aber als eine an sich neutrale Angelegenheit. Erst in der Zirkulation scheint dem Produkt die Knappheit oktroyiert zu werden, erst hier scheint das Produkt Ware zu werden, und erst hier scheint der Profit zu entstehen. Diese Implikationen reproduzieren – ich unterstelle: ungewollt – jenen „Verteilungsmarxismus“, der doch eigentlich zu überwinden sei, denn anderenorts bezieht sich das FG-Wiki explizit positiv auf die Wertkritik (vgl. FG-Wiki 2007b).
Zum zweiten Beispiel. Sabine Nuss (Nuss 2006) verwendet die Begriffe natürliche und künstliche Knappheit in ähnlicher Weise wie die Autorinnen und Autoren des FG-Wiki. Allerdings erkennt und formuliert sie wesentlich schärfer den Zusammenhang von Eigentums- und Warenform13 kapitalistischer Produktion: „Der spezifisch kapitalistische Aneignungsprozess hat … zur Voraussetzung, dass Produkte, sofern sie Warenform annehmen sollen, ‚knapp‘ sein müssen, das heißt, dass sie nur der zahlungsfähigen Nachfrage zugänglich sein dürfen.“ (ebd., S. 205) Nuss konstatiert, dass „künstliche Verknappung … bei allen Gütern erfolgen muss, wenn sie für den Warentausch produziert werden. Bürgerliches Eigentum ist die Erzeugung künstlicher Knappheit.“ (ebd.). Doch damit hypostasiert sie den Begriff des „Künstlichen“, als ob erst eine generell zusätzlich zur Produktion durchzuführende Aktion – die „Verknappung“ eben – aus Gütern Waren macht, als ob die Güter in der Produktion bloße Güter sind und nicht bereits als Waren erzeugt würden. Bei Nuss ist diese eigentümliche Trennung von Produktion und Zirkulation insofern verständlich, als sie sich theoretisch an Michael Heinrich orientiert und diese Interpretation des Verhältnisses von Zirkulation und Produktion dessen Ansatz insgesamt durchzieht.14 Diese theoretische Nähe hat aber ihren Preis. Indem Nuss die Knappheitsproduktion generell zu einem der eigentlichen Produktion nachgeschalteten Prozess erklärt, missversteht sie ein spezielles Merkmal der Produktion privatisierter Universalgüter als allgemeine Wareneigenschaft. In Wirklichkeit handelt es sich aber gerade dabei um eine warengesellschaftliche Anomalie. Diese tritt gerade dort auf, wo die Warenform Nicht-Waren oktroyiert wird.
So wie Knappheit als Akt der Verknappung erscheint und somit „künstlich“ ist, so erscheint die Endlichkeit bestimmter Güter bei Nuss als „natürlich“: „Natürlich gibt es Produkte, die ‚von Natur aus‘ endlich sind, wie beispielsweise fossile Energieträger. Hier handelt es sich aber um eine natürliche Knappheit (also eine Knappheit auf der stofflichen Ebene), nicht um eine gesellschaftlich erzeugte (also um eine Knappheit auf der Ebene der gesellschaftlichen Formbestimmung).“ (ebd., S. 206, Herv. im Original). Aus der Problematik der in naher Zukunft erreichten Schranken der Förderbarkeit bestimmter Ressourcen, die Ergebnis der spezifischen Produktionsweise sind und mithin auf der „Ebene der gesellschaftlichen Formbestimmung“ zu verhandeln wären, schließt Nuss auf eine „natürliche Knappheit“. Aber mit einer schlichten „Verwechslung von Wesen und Erscheinung“ kann das Problem nicht abgetan werden. Fragen wir also: Sind nicht wirklich die „Produkte … endlich“? Die Produkte? Oder die Grundstoffe, die zu Produkten verarbeitet werden? Welche Produkte eigentlich, für welches Bedürfnis? Auch hier wird wieder so getan, als gäbe es „die Produktion“ unter Abstraktion jeglicher Bedürfnisse. Der gesellschaftliche Schein der Trennung von Produktion und Bedürfnis wird hier als „natürliche Knappheit“ mystifiziert: Dort ist Produktion, und so wie sie dort läuft, ist sie endlich, also knapp, zuerst das Öl – das sieht doch jede/r! Von einer genauen „Formbestimmung“ wird genau dort abgesehen, wo sie erforderlich wäre.
Aber auch auf der bloß „stofflichen Ebene“ wird es nicht besser. Die Aussage, dass „Produkte … endlich sind“, ist zwar richtig, aber so allgemein wie nichtssagend. Es gilt für buchstäblich alle Stoffe – über kurz oder lang. Die Frage ist jedoch, in welcher Weise die Menschheit ihren endlichen Aufenthalt auf der Erde angesichts der Endlichkeit ihrer stofflichen Beschaffenheit gesellschaftlich herstellt, in welcher Weise sie also gesellschaftlich das Verhältnis von Bedürfnissen und Produzierbarem organisiert. So gesehen ist alles „knapp“, womit sich jedoch vollends der Erkenntnisgehalt des Begriffs verflüchtigt.
Unbesehen dieses Defizits – letztlich, weil sie den Begriff Knappheit nicht antasten möchte – kritisiert Nuss jedoch zurecht die unter den Kritiker/innen des „geistigen Eigentums“ (wozu auch das FG-Wiki-Projekt gehört) verbreitete schlichte Dichotomie von „stofflich = natürlich knapp“ und „unstofflich = nicht knapp“: „Die kapitalistische Produktionsweise erzeugt mit der Annahme einer natürlichen Knappheit der Güter eine Denkform, welche Voraussetzung der bürgerlichen Eigentumstheorie ist und welche auch die Kritiker des geistigen Eigentums teilen, indem sie auf die Nicht-Knappheit des Immateriellen als Gegensatz zur Knappheit des Materiellen verweisen.“ (ebd., S. 208) Zwar schränkt sie die Bindung des „Stofflichen“ an die Knappheit ein und dekonstruiert diese als im Wesentlichen „gesellschaftliche Formbestimmung“, jedoch hält sie an der Dichotomie „natürlich knapp“ vs. „künstlich knapp“ letztlich fest. Das hindert sie daran, den Kern der Dichotomie stofflich/knapp vs. unstofflich/unknapp freizulegen: Als Waren hergestellte Güter sind knapp, unabhängig von ihrer stofflichen Beschaffenheit; bei den in die Warenhülle gepressten privatisierten Universalgütern ist jedoch die Knappheitsproduktion an Produktmodifikation (Kopierschutz) und juristische Zusatzmaßnahmen gebunden – insofern sprechen die Kritiker/innen des „geistigen Eigentums“ mit ihrer falschen Gegenüberstellung von „künstlicher“ und „natürlicher Knappheit“ also durchaus einen realen Unterschied an.
Für eine begriffskritische Wendung des Problems „Knappheit“ ist mehr theoretische Substanz erforderlich. Ernst Lohoff hat in einem früheren Aufsatz „Zur Dialektik von Mangel und Überfluss“ (1998) bereits Grundsätzliches beigesteuert. Lohoff bringt die Paradoxie der „Identität von Mangel und Reichtum“ (ebd., S. 58) folgendermaßen auf den Punkt: „Knappheit wird naturalisiert, indem sie konsequent zunächst mit Mangel, also unzureichender menschlicher Bedürfnisbefriedigung, durcheinandergeworfen wird und dieser wiederum mit der Endlichkeit aller Ressourcen. (…) ‚Knappheit‘ resultiert weder aus der quantitativen Begrenztheit aller von Natur vorhandenen oder von Menschen erzeugten Dinge noch aus einem vorausgesetzten prinzipiellen Mangel an Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung; die ökonomische Setzung Knappheit erzeugt vielmehr ihrerseits erst systematisch jenen Mangel, der ihr Urgrund sein soll.“ (ebd., S. 59) Die initiale „Setzung“ als „Schaffung von absolutem Mangel“ durch „ursprüngliche Expropriation“ (ebd., S. 66) erfolgt im Prozess der historischen Durchsetzung des Kapitalverhältnisses und des Privateigentums: „Privateigentum fällt mit der Konstitution von Mangel zusammen, weil es für einen grundsätzlich exkludierenden Bezug auf alles steht, was zum gesellschaftlichen Reichtum zählen kann.“ (ebd., S. 67f.)
Um den Austausch von „Knappem“ als universelles gesellschaftliches Prinzip zu etablieren, musste dafür gesorgt werden, dass „auch die Arbeitskraft zum ‚knappen Gut‘ mutiert“ (ebd., S. 73). Das war nur möglich, indem die Lebenszeit der Menschen aufgespalten wird in eine für einen fremden, abstrakten Zweck von der „eigentlichen Lebenszeit ‚ab(ge)spart(e)‘“ (ebd.) und zu opfernde Zeit und einen Rest, der der Reproduktion der Opferzeit dient. Diese Mutation vom Menschen zum Arbeiter war Teil der „Urverbrechen der Warengesellschaft“, der „gewaltsame(n) Zerstörung aller knappheitsfreien Formen von Reichtumserzeugung“ (ebd., S. 65f.). Denn: „Wären die (re)produktiven Tätigkeiten für diejenigen, die sie ausüben, unmittelbare Lebensäußerung und Lebensbedürfnis, so könnten sich die Erzeugnisse niemals als Ensemble knapper Güter vergegenständlichen.“ (ebd., S. 73)
Der Terror des absoluten Mangels sowohl an Subsistenzmitteln wie opferfreier Lebenszeit, war auf Dauer für die Reproduktion des warengesellschaftlichen Systems als Ganzem dysfunktional, denn ähnlich wie bei der bloß formellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital in Formen der absoluten Mehrwertsteigerung durch Ausweitung des Arbeitstages, Kinderarbeit etc. waren die Grenzen bald erreicht. Die Systemkonstitution der Warengesellschaft war erst in dem Maße abgeschlossen, wie der Mangel nicht mehr nur äußerliches Prinzip, sondern integraler Bestandteil der Reproduktion der Verwertungslogik wurde. Folglich: „An die Stelle des absoluten tritt der sich selber perpetuierende relative Mangel. An die Stelle äußerlicher Gewalt tritt der verinnerlichte Zwang, die Knappheitslogik von sich aus mitzuexekutieren.“ (ebd., S. 75) Mit dem „perpetuierten relativen Mangel“ kommt die Knappheit auf ihren Begriff, die jene Paradoxie von Armut im Überfluss wieder und wieder erzeugt und vor der die meisten kritischen Kritiker/innen im changierenden Schein von „künstlicher versus natürlicher Knappheit“ kapitulieren.
Doch auch der „Reichtum an Knappheit“ (ebd., S. 57) ist durch seine eigene Verknappung bedroht – dies jedoch nicht wie bei Nuss als äußerliche Beschränkung, die der Kapitalismus ohnehin nicht akzeptieren würde, sondern als Resultat der eigenen Funktionslogik, die darin besteht, sich die abstrakte Arbeit als Substanz, die diesen Prozess überhaupt in Gang hält, unterm Hintern wegzurationalisieren. Die zunehmende Knappheit an Knappheit tritt jedoch nicht als Wiedergewinnung von geopferter Lebenszeit der Arbeitenden in Erscheinung, sondern als „Rückkehr vom relativen Mangel zum absoluten“ (ebd., S. 81). Mitten in diesen Prozess hinein fällt nun der Bedeutungszuwachs jener Güterklasse, die es wieder richten soll, deren Knappheit jedoch nicht mehr an stoffliche Schranken zu binden ist. Beim Kampf um die Warenform unstofflicher Güter wie Wissen, Software und Kultur geht es unversehens und ungeahnt ums Ganze.
Lohoff verwendete in seiner früheren Analyse einen deskriptiven Begriff von „Knappheit“ und vermied dabei die Auseinandersetzung mit bürgerlichen Konzepten. Das FG-Wiki und Nuss blieben auf der Grundlage der bürgerlichen Knappheitskonzepte und versuchten immanent eine Kritik zu formulieren. Das Wiki-Projekt tappte dabei in die Falle der Isolierung der scheinneutralen „Produktion“ von den – in der bürgerlichen Gesellschaft auch real – separierten „Bedürfnissen“, die ohnehin nur als „Bedarf“ interessieren. Trotz ihrer Kritik an der unter den Kritiker/innen des „geistigen Eigentums“ verbreiteten Dualität von stofflich = knapp / nicht stofflich = nicht knapp ist auch Nuss, die ebenfalls die Spezifik der privatisierten Universalgüter übergeht, davon nicht frei. Um hier weiterzukommen, ist es also erforderlich, die von Lohoff formulierte inhaltliche Kritik auf eine begriffliche Ebene zu heben und die „Knappheits“-Vorstellung selbst zu dekonstruieren und zu reformulieren.
Knappheit, Begrenzungen, Voraussetzungen
Kritik und Reformulierung beginnen damit, dass wir uns den begrifflichen Kontext vergegenwärtigen: Es geht um die Art und Weise wie Menschen ihr Leben gewinnen. Menschen finden ihre Lebensbedingungen nicht bloß vor, sondern sie stellen sie aktiv her. Dies tun sie von vornherein in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, und da die individuelle Existenz gesamtgesellschaftlich vermittelt ist, hat jede/r an der Herstellung und Nutzung der Lebensbedingungen teil. Diese Teilhabe muss durchschnittlich jene Beiträge erbringen, die für den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhangs erforderlich sind, was jedoch nicht festlegt, ob, in welcher Weise und wann sich der konkrete einzelne Mensch an der Herstellung der notwendigen Beiträge beteiligt. Dieser Möglichkeitsraum15 ist es, der grundsätzlich erlaubt, historisch spezifische Formen der gesellschaftlichen Vermittlung einzugehen, was jedoch nicht bedeutet, dass eine bestimmte gesellschaftliche Form historisch determiniert wäre. Gleichwohl gab und gibt es historisch unterschiedliche Voraussetzungen, die in der konkreten Situation zu unterschiedlichen Möglichkeitsräumen und damit Formen der gesellschaftlichen Vermittlung führten: Im Nachhinein können wir sie begründen, in der Vorausschau können wir sie nicht angeben.
Die warengesellschaftliche Form der gesamtgesellschaftlichen Vermittlung ist eine historisch-spezifische. Sie erzeugt objektive Gedankenformen und setzt ihre basalen Kategorien als überhistorische: So wie jetzt ist es im Prinzip immer gewesen. Ihre immanenten Referenzen auf scheinontologische Gewissheiten verstärken diesen Schein: Wirtschaft ist immer gewesen, weil immer Knappheit war – und umgekehrt. Um das zu durchbrechen, müssen wir uns klar machen, welche realen Verhältnisse die Begriffe widerspiegeln, mit denen wir diese Verhältnisse denkend reflektieren. Dies geht natürlich nicht von einem fiktiven Außenstandpunkt aus, und auch die Kritik der bestehenden bürgerlichen Gedankenformen ist Teil des Raumes der Denk- und Handlungsmöglichkeiten und damit durch ihren Gegenstand begrenzt. Diese Möglichkeit der Kritik darf nicht verschenkt werden, etwa um der besseren Verständlichkeit willen. Begreifendes Denken überschreitet das oberflächenverhaftete deutende Alltagsdenken16, und das ist jedes Mal mit dem Aufbringen von Denkenergie verbunden. Es gibt keine deutende Abkürzung, und es gibt auch keinen „Denk-Level“, den man einmal erreicht automatisch dauerhaft inne hätte. Begreifen ist immer wieder anstrengend. Voraussetzung, aber keine Garantie, sind angemessene Denkmittel. Das sind solche Begreif-Begriffe, für die das Durchdringen des oberflächlichen Scheins konstitutiv ist. „Knappheit“ ist nicht dadurch kritisch zu wenden, indem wir gegen sie sind, sondern nur, indem wir den Begriff dekonstruieren und reformulieren.
Das Herstellen oder Produzieren des gesellschaftlichen Lebens ist im umfassenden Sinne zu verstehen. Hiermit ist also nicht ein Produzieren in einer abgetrennten gesellschaftlichen Sondersphäre, der sog. Ökonomie, gemeint, sondern alle Lebenstätigkeiten sind an der Erzeugung unserer Lebensbedingungen beteiligt. Alle. Damit ist klar, dass im engeren Sinne produzierende Tätigkeiten, also das Herstellen der Mittel zum Leben durch Stoffwechsel mit der umgebenden Natur – seien es direkt Lebensmittel oder Mittel zur Herstellung von Lebensmitteln –, abhängig sind von den Bedürfnissen und den Möglichkeiten zur Herstellung der Lebens-/Mittel. Das Verhältnis dieser drei Aspekte: Bedürfnisse und Mittel zur Herstellung der Befriedigungsmittel durch Stoffwechsel mit der Natur spiegelt den historisch-spezifischen Stand der Produktivkraftentwicklung wider.17 Dieses Verhältnis ist von vornherein als dynamisches und unabschließbares Verhältnis zu denken, in dem sich die drei Aspekte wechselseitig bedingen: Bedürfnisse können sich nur auf dem erreichten Stand der potenziell erreichbaren Befriedigungsmöglichkeiten entwickeln; die Entwicklung der Mittel zur Herstellung der Lebensmittel wiederum ist abhängig von Stand der gesellschaftlich kumulierten Erfahrung und Techniken; die Naturbedingungen verändern sich mit jedem „Akt des Stoffwechsels“ usw. All diese Zusammenhänge implizieren immer eine Differenz zwischen Bedürfnissen und Befriedigungsmöglichkeiten, die jedoch keinesfalls die Form des Mangels oder gar der Knappheit annehmen muss.
Die Gleichsetzung der Inkongruenz von Bedürfnissen und Bedürfnismöglichkeiten mit Mangel oder Knappheit hat ein biologistisches Menschenbild zum Hintergrund, das von einem bloßen Reiz-Reaktions-Homunkulus ausgeht, bei dem jede Differenz als „Reiz“ eine unmittelbare „Reaktion“ auslöst – ein Wunschbild der Werbung mit dem Kauf als intendierter „Reaktion“. Für den gesellschaftlichen Menschen ist jedoch spezifisch, dass er seine Lebensbedingungen nicht nur vermittels gesellschaftlicher Kooperation herstellt, sondern dies in verallgemeinerter Vorsorge tut – soweit es jeweils die Bedingungen zulassen. Das Abgeschnittensein von den Möglichkeiten der Teilhabe an gesellschaftlicher Vorsorge unter Bedingungen der Warenproduktion erleben viele als ein Zurückgeworfensein in eine scheinbar überschaubare Unmittelbarkeit, in eine „ungesellschaftliche Gesellschaftlichkeit“. Hier werden Differenzen dann als Mangel erfahren, wenn der Zugang zur Schaffung allgemeiner Vorsorge abgeschnitten ist – sei es, dass die „Vorsorge“ nur in Form der Lohnarbeit stattfindet. Der Kapitalismus ist also nicht nur deswegen „unmenschlich“, weil er vielen Menschen vorhandenen Reichtum vorenthält, sondern weil er sie von den gesellschaftlichen Möglichkeiten zur Produktion des Reichtums und damit der vorsorgenden Verfügung über ihre Lebensbedingungen ausschließt.18
Gesellschaftliche Vorsorge impliziert stets eine zeitliche Differenz zwischen den gehabten und gewünschten Befriedigungsmöglichkeiten. Ist der Zusammenhang zwischen individuellen Handlungen und den gesellschaftlichen Zielen real gegeben und kann dieser Zusammenhang auch eingesehen werden, ist er also transparent, so kann die Teilhabe an der gesellschaftlichen Vorsorge motiviert erfolgen. Ist dieser Zusammenhang nur gering vorhanden oder nicht einsehbar, weil die gesellschaftliche Vermittlung nicht kommunikativ, also von den Menschen, sondern durch die sachliche, knappheitsregulierte Verwertungslogik vollzogen wird, so erfolgt die Teilhabe an der gesellschaftlichen Vorsorge zunehmend unmotiviert und erzwungen. Der „verinnerlichte Zwang“ (Lohoff 1998, s.o.) wird in gleichem Maße bestimmend für die Subjektform – eine Form, die sich nicht nur destruktiv sondern zunehmend autodestruktiv äußert.
Knappheit ist jene historisch besondere soziale Form, in der die Mehrheit der Menschen von den Mitteln zur Herstellung der Befriedigungsmittel – Produktionsmitteln, aber auch von Infrastrukturen und gesellschaftlichen Organisationsformen – ausgeschlossen sind und nur indirekt über den Verkauf ihrer Arbeitskraft an die Befriedigungsmittel gelangen können. Der Zweck des Einsatzes ihrer Lebensenergie als Arbeitskraft hat dabei nun nichts zu tun mit dem Zweck der Herstellung der Mittel zur Bedürfnisbefriedigung: Die Produzenten stellen die Produkte nicht „für sich“ her und das Produkt gehört auch nicht „den Produzenten“ und diese produzieren auch nicht für konkrete andere Menschen, sondern für den Verkauf der Güter, für deren Verwertung, für einen dritten Zweck. Diesen dritten Zweck können die als Waren hergestellten Produkte nur erfüllen, wenn sie die Form der Knappheit annehmen, wenn sie nicht dazu gemacht sind, gebraucht zu werden, sondern verkauft zu werden, und reale Brauchbarkeit und tatsächlicher Gebrauch nicht mehr interessieren. Ohne Knappheit keine Regulation in dieser Form: „Verwertung braucht Knappheit.“ (Nuss/Heinrich 2002)
Doch nicht alles was begrenzt ist, muss auch „knapp“ sein. Augenscheinlich nimmt die Mehrzahl der gesellschaftlichen Begrenzungen nicht die Form der Knappheit an, weil sie nicht über die Warenform reguliert werden. Sie sind nur deshalb wenig sichtbar, weil sie in den wert-abgespaltenen Bereich der unmittelbaren Kooperation in persönlichen und familialen Strukturen fallen. Würden diese Beziehungen über Knappheit, also warenförmig, reguliert, wäre das der Exitus der Gesellschaft. Es ist auch deskriptiv widersinnig etwa Emotionen, Kreativität oder das Kloputzen in Begriffen von „Knappheit“ zu verhandeln – auch wenn es keine prinzipiellen Grenzen für die Diffusion der Warenform in alltägliche soziale Beziehungen gibt. Umgekehrt: Wer alle gesellschaftlichen Beziehungen nach dem Maß der Knappheit wahrnimmt oder sie unter dieses zu subsumieren sucht, für den ist das Leben ein totaler Markt, und jegliche Beziehung besitzt die Form des Tausches. Kurz: Wer das Verhältnis von Bedürfnissen und Befriedigungsmöglichkeiten in Begriffen der Knappheit denkt, für den ist alles nur Ökonomie.19
Solange wir die konkreten Probleme nach den Gesetzen der Verwertungslogik glatt bügeln und ohne uns darüber Rechenschaft abzulegen die reale Abstraktion im Tausch auch noch begrifflich verdoppeln, eröffnet sich kein Zugang zu den emanzipativen Möglichkeiten. Das macht kategoriales Denkwerkzeug keineswegs überflüssig, allerdings ist es dabei zu vermeiden, die Realabstraktionen der Warengesellschaft über ihre Begriffe in emanzipatorisches Denken zu importieren. Wenn also etwas nicht ausreicht, begrenzt ist, fehlt oder gewünscht wird, dann ist eben dieses Gut von einem emanzipatorischen Standpunkt aus nicht „knapp“, sondern es reicht nicht aus, ist begrenzt, fehlt gar ganz oder wird dringend gewünscht – jeweils in Bezug auf einen ganz unterschiedlichen Zweck. Hierbei geht es eben nicht um eine historisch-spezifische Regulationsform, die Knappheit, sondern schlicht um „Grenzen“, die in der einen oder anderen Weise erreicht sind und mit denen wir in unterschiedlicher Weise umgehen können. Für dieses Verhältnis wurde daher (im Oekonux-Projekt) der verallgemeinernde Begriff der Begrenzung vorgeschlagen.
Der Begriff Begrenzung ist hinreichend allgemein und genau. Er schließt ein, dass etwas begrenzt ist, wie auch, dass etwas begrenzt wird. Er umfasst die historisch-spezifische Form der Begrenzung mit Namen „Knappheit“ und kann gerade in Abhebung zu nicht knappen aber begrenzten Sachverhalten die Knappheit als historisch besondere und gerade nicht allgemeine Form, mit Begrenzungen gesellschaftlich umzugehen, erkennen. Denn ganz allgemein gilt: Das gesellschaftliche Herstellen der Lebensbedingungen ist der kumulierend überwindende Umgang mit Begrenzungen. Oder besser: Das könnte so sein, denn die Schizophrenie der Knappheit besteht ja gerade darin, dass sie mit Begrenzungen umgeht, diese aber in paradoxer Weise gleichzeitig überwindet und perpetuiert.
Jeder überwindende Umgang mit Begrenzungen, also jede Art der Herstellung gesellschaftlicher Lebensbedingungen, geht von bestimmten Voraussetzungen aus. Die stofflichen Bedingungen sind endlich, die Vorkommen sind begrenzt – alle. Das ist keine „natürliche Knappheit“, der dann eine „unnatürliche“, eine „künstliche“ gegenüberstünde, sondern es sind Voraussetzungen unseres Lebens. Dazu gehören unsere Kenntnisse und unsere Kreativität genauso wie bereits hergestellte Mittel zur Herstellung von Mitteln; die emotionale Aufgehobenheit wie die persönliche Herausforderung; unsere Genuss- wie Produktionsfähigkeit etc. Das, wovon wir ausgehen, ist Voraussetzung für das Folgende – im umfassenden und unreduzierbaren Sinne.
Mit diesem Dreiklang: Voraussetzungen, Begrenzungen und Knappheit20 lässt sich das Feld der gesellschaftlichen Produktion der Lebensbedingungen begreifen. Und einzig unter Bedingungen der exkludierenden Warenproduktion ist der Begriff der Knappheit angemessen, um ihn abzuheben von den menschlich-gesellschaftlichen Potenzen jenseits der Warenform.
Diese generalisierende Aussage gilt auch und gerade dann, wenn wir es mit Gütern zu tun haben, die aufgrund ihrer unstofflichen Beschaffenheit und nahezu aufwandslosen Duplizierbarkeit universellen Charakter haben. Zwar ist, wie sich zeigen wird, die Knappheit nur mehr additiv hinzugefügte bloße „Hülle“, die der Universalität des stofflosen Guts nichts anhaben kann. Doch es wäre verfehlt, daraus umgekehrt den Schluss zu ziehen, stofflichen Gütern wäre automatisch Knappheit eingebaut, woraus sich ableiten ließe, dass sie genauso zwanghaft Ware sein müssten. Eine „Assoziation freier Produzenten“ (Marx) kann begrenzte Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung überwinden, indem sie gesellschaftlich neue Befriedigungsmittel herstellt. Das gilt gleichermaßen für die Produktion stofflicher wie nicht stofflicher Güter.
Die Differenz zwischen nicht stofflichen Universalgütern und stofflichen Gütern bleibt auch jenseits der warengesellschaftlichen Zwangsform bestehen. So ist durchaus relevant, ob Verbrauchsgüter immer wieder hergestellt werden müssen oder ob Universalgüter, einmal in die Welt gesetzt, die Menschheit für immer bereichern. Allein die warengesellschaftliche Form zwingt den Privatproduzenten dazu, eine Kosten-Nutzen-Relation dergestalt zu kalkulieren, dass dem investierten Aufwand in möglichst kurzer Frist ein monetärer Ertrag folgt.
Im nun folgenden eher empirischen Teil will ich am Beispiel privatisierter Universalgüter zeigen, welcher gesellschaftliche Aufwand an mehreren Fronten betrieben werden muss, um die Knappheit als Voraussetzung für die Warenform dem Universalgut zu applizieren. Anschließend gehe ich darauf ein, was an den Universalgütern Software, Wissen und Kultur allgemein und was besonders ist und welche Handlungsmöglichkeiten sich damit für emanzipatorische Bewegungen auftun.
Umkämpfte Warenform – am Beispiel von DRM
Das Digitale Rechte-Management (DRM), passender auch als Digital Restrictions Management bezeichnet, galt der Industrie lange Zeit als der Königsweg zur Durchsetzung der Warenform bei privatisierten Universalgütern. Doch mittlerweile bröckelt die Front.
Mitte der 1990er Jahre begann der Content21– und Softwareindustrie langsam zu dämmern, dass die Eigenschaften der Nicht-Exklusion22 und Nicht-Rivalität23 von Informationsprodukten ihre Verwertbarkeit in dem Maße untergräbt, wie sich die Produkte zunehmend von spezifischen physischen Trägern (Disketten, CDs etc.) ablösen und durch Zugriff auf einen allgemeinen Träger, das Internet, nahezu frei verfügbar sind. Wissens- und Kulturprodukte in digitaler Form drohten zunehmend ihre Knappheitseigenschaft zu verlieren, die Voraussetzung für die Warenform ist. Dem sollte und soll in einem „Zangengriff“ durch eine technologische und rechtsförmige Aufrüstung begegnet werden.
Die technologische Aufrüstung zielt auf den Computer als Universalmaschine.24 Mit dem technischen Aufbau des Computers ist nicht festgelegt, für welche Zwecke die Maschine eingesetzt wird. Erst die Software und die Daten machen aus der Universal- eine Spezialmaschine. Mit dem Internet als universellem Träger für universelle Informationsgüter und der Universalmaschine Computer25 als individueller Nutzenmaschine der universellen Güter treffen zwei Technologien aufeinander, die dem spezifischen universalen und wertlosen Charakter von Information angemessen sind, für das Kapital jedoch zum Verwertungsproblem werden. Während der Zugriff auf physische Güter durch geeignete Maßnahmen physisch unterbunden werden kann (Zäune, Wachschutz etc.), ist das bei „unphysischen“ und zudem nicht rivalen Gütern schwer zu erreichen. Doch: „Die gleiche Technik, die den weltweiten Gebrauch von Netzen ermöglicht, wird auch die weltweite Kontrolle der Netze ermöglichen“, verkündete optimistisch der frühere GEMA-Vorsitzende (Kreile 1998).
Ein Ansatz ist das sog. Trusted Computing: „Eine Hierarchie von Trusted Systems würden als eine Art Verkaufsautomaten für digitale Werke jeder Art fungieren, die die Werkstücke außerdem mit einer Liste erlaubter und verbotener Nutzungsmöglichkeiten ausstatten.“ (Grassmuck 2002, S. 133) Anders als eine wörtliche Übersetzung nahelegt, geht es hierbei nicht um „Vertrauen in die Technik“, sondern um die Frage, ob denn die Contentlieferanten dem Nutzer trauen können. Oder wie es Grassmuck ausdrückt: „DRM ist das in Technologie gegossene Misstrauen gegenüber den Nutzern.“ (2006, S. 179) So haben sich auch hier schnell alternative Bezeichnungen eingeprägt, die deutlicher machen, worum es eigentlich geht: Treacherous Computing (betrügerischer Computereinsatz) bzw. Control Systems (Kontrollsysteme).
DRM kombiniert ein verschlüsseltes Produkt mit einer speziellen virtuellen (Software-)Maschine, die allein in der Lage ist, das verschlüsselte Produkt „abzuspielen“. Viele DRM-Systeme existieren derzeit nur in dieser Softwareform, das eigentliche Ziel ist jedoch die Verknüpfung von DRM-Software mit DRM-Hardware. In einem DRM-Chip wird ein individueller Schlüssel hinterlegt, der von den Contentanbietern bei Nutzung eines Inhalts ausgelesen werden kann. Der Schlüssel identifiziert sicher den Nutzer bzw. die Nutzerin. Von einem Lizenzserver können nun, je nach individueller Auswahl, Nutzungscodes erworben werden, die die entsprechende Software beim Zugriff auf den digitalen Inhalt autorisiert und steuert. Verschlüsselte Daten können nun entschlüsselt werden. So wird gesichert, dass etwa ein heruntergeladenes Musikstück maximal zehn Mal abgespielt werden kann, eine Software nur bis zu einem Stichtag benutzbar ist, ein Film sich nur dreimal kopieren lässt oder der Ausdruck eines Bildes generell untersagt ist – die Kombinationen sind unbegrenzt.26 Bekannteste Beispiele sind der iPod der Firma Apple mit dem DRM-System FairPlay (sic!) und der Microsoft Windows Media Player, der mit den beiden Formaten WMA (Audio) und WMV (Video) auf den DRM-Einsatz im neuen „Windows-Vista“ abgestimmt ist.27 Zur Implementation der spezifischen vom Anbieter festgelegten Nutzungsgestalt eines digitales Guts wurde eine eigene Rights Expression Language (REL) entwickelt (vgl. dazu Grassmuck 2006, S. 177).
Wenig beachtet wird zumeist, dass DRM derzeit vor allem über „Spezialmaschinen“ verbreitet wird: Drucker, Handys, DVD-Player, Setop-Boxen, Spiele-Consolen, Digitalradios, Videorecorder etc. Sind die DRM-Anwendungsfälle zunächst nur begrenzt – etwa die Überwachung des Regionalcodes bei DVD-Playern28 oder die Verwendung der Originalkartuschen bei Druckern –, so ist langfristig der Aufbau einer umfassenden DRM-Infrastruktur das Ziel. Dabei soll diesmal nicht der peinliche Fehler begangen werden, der in den 1990er Jahren zum Aus des digitalen Audio-Tapes (DAT) führte: Da digitaler Inhalt und digitale Abspieltechnologie zusammenpassen müssen, sorgt nur eine perfekte Kombination der verschiedenen Einzeltechnologien für eine geschlossene Kette. Dabei sind oft eine Reihe von Patenten mit im Spiel, die ihrerseits den Einsatz der Technologie verteuern und für einzelne Anbieter einen Anreiz darstellen, einzelne Glieder der Kette einzusparen und damit auch noch extra zu werben (etwa die Nichtbeachtung des DVD-Regionalcodes durch einen DVD-Player). Ein „Ausbruch“ einzelner Firmen aus der geschlossenen Kette zerstört jedoch die gesamte Anlage zur Verwertung. Das Kapital versucht also durchaus seine Gesamtinteressen hier gegen bornierte Einzelinteressen durchzusetzen und nimmt dafür gerne die Hilfe des Staates in Anspruch.
Ohne rechtsförmige Aufrüstung29 keine Durchsetzung der neuen Knappheitsformen. Grassmuck schreibt: „DRM ist als Selbsthilfe der Industrie gedacht. … DRM versprach nun, dass die Unterhaltungsindustrie die Knappheit, die Voraussetzung für ihren Markt ist und die bislang das Gesetz sicherte, zukünftig würde selber herstellen können. Die Techniker haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass DRM nicht funktionieren kann, doch erst als nicht mehr zu leugnen war, dass jedes einzelne auf dem Markt eingeführte DRM-System innerhalb kürzester Zeit geknackt wird, mussten die Verwerter einsehen: die Antwort aus der Maschine, die technische Selbsthilfemaßnahme, die den Staat nicht braucht, ist ohne seine Gesetze und sein Gewaltmonopol wirkungslos.“ (2006, S. 168) Das Umgehungsverbot für DRM-Mechanismen war daher die zentrale Forderung der Contentindustrie und fand 1996 schließlich in das WIPO30-Abkommen über Urheberrechte Eingang. Mit dem DMCA31 überführten die USA 1998 die Bestimmungen in nationales Recht, die EU folgte 2001 mit einer entsprechenden Richtlinie. Deutschland hat die EU-Pflichtbestimmungen – u.a. das Umgehungsverbot für DRM – 2003 umgesetzt. Derzeit wird in einem „zweiten Korb“ über die Kann-Bestimmungen der EU-Richtlinie verhandelt, und es sieht so aus, dass mit der „Privatkopie“ ein entscheidender Baustein der traditionellen „Balance“ zwischen Verwertern und Nutzern faktisch abgeschafft wird.32
Die „Front“ der Content- und Softwareindustrie wackelt jedoch bedenklich. Immer wieder gibt es Ausbrecher, die „ihre Kunden“ nicht über Gebühr belästigen wollen. Zur Hardcore-Fraktion ist die Musik- und Filmindustrie zu zählen. Mit massiven Einschüchterungskampagnen33 soll den Nutzerinnen und Nutzern ein schlechtes Gewissen eingeredet werden, auf dass sie zukünftig nur noch legale Musik und Filme erwerben. Parallel hält sich die Medienindustrie – unterstützt durch Mittel der Filmförderungsanstalt FFA – die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), eine virtuelle Rambo-Truppe, die mit unfeinen Methoden handfest zur Tat schreitet. Die GVU hat durch zwei Fälle größere Aufmerksamkeit erlangt. So finanzierte die GVU selbst den Betrieb von sog. Warez-Servern34, um in die „Raubkopie-Szene“ einzudringen. Im anderen Fall stellte die GVU Strafantrag gegen einen Handel mit angeblich gefälschten Film-DVDs und trat gleichzeitig als Pseudogutachter in eigener Sache auf.35
Vorsichtiger agiert beispielsweise die Firma Microsoft. In einer beim Institut für Strategieentwicklung der Privatuniversität Witten/Herdecke beauftragten Untersuchung der „Digitalen Mentalität“ (Microsoft-Studie 2004) werden die Bedrohungs- und Abschreckungsaktionen der Film- und Musikindustrie als wenig Erfolg versprechend abgelehnt, wenngleich sich Microsoft an der GVU beteiligt. Die Microsoft-Studie orientiert eher auf eine veränderte Kommunikationsstrategie. Das Problem sei das traditionelle Eigentumsverständnis der Nutzerinnen und Nutzer: „Im Falle der Urheberrechtsverletzung, die durch digitale Vervielfältigung begangen wird, bleibt ein intuitives Verständnis für das damit verbundene Unrecht aus, weil das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme fehlt, das unseren historisch gewachsenen Vorstellungen von Diebstahl zu Grunde liegt.“ (ebd., S. 4) Statt von Eigentum zu reden, sei es daher sinnvoller, die „Denkfigur des Verfügungsrechts“ (ebd., S. 30) zu etablieren36, um gesellschaftlich eine Kultur der „Digital Honesty“ (ebd., S. 31) durchzusetzen: „Um die Wichtigkeit einer solchen Kultur des Umgangs mit geistigem Eigentum in der digitalen Welt zu vermitteln, ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass Eigentum kein Privileg der Reichen ist, sondern eine … Konzession der Gesellschaft, die Eigentümern Verfügungsrechte einräumt, die den Ausschluss aller anderen von diesen Verfügungsrechten implizieren und nur unter diesen Bedingungen den Handel – als Transfer von Verfügungsrechten – mit Eigentum ökonomisch möglich und lohnend machen.“ (ebd., S. 32) Ganz in diesem Sinne hat Microsoft „ein Copyright-Unterrichtspaket geschnürt“ – inklusive Segnung durch die (damalige) Bildungsministerin –, um Lehrer darüber zu informieren, „wie man Jugendliche nachhaltig mit den Grundlagen des Urheberrechts vertraut machen kann“, denn diese zeigen „im Bezug auf illegale Kopien geschützter Inhalte kaum Unrechtsbewusstsein“ (Internetadresse vgl. Microsoft-Studie 2004).
Auch die Firma Apple, die in der Vergangenheit oft einen guten Riecher für neue Trends zeigte, orientiert sich neu. So kündigte Apple im Oktober 2006 an, zukünftig keine DRM-Chips mehr in ihre Computer einzubauen. Im Februar 2007 verkündete der Apple-Chef Steve Jobs, dass er bei den tragbaren iPod-Playern und dem zugehörigen iTunes Online-Musikshop gerne auf das eigene DRM FairPlay verzichten und stattdessen offene Standards ohne DRM einsetzen würde. Doch das erlaubten die „Big Four“, die großen Konzerne Universal Music, Sony BMG, Warner Music und EMI nicht. Taktisch geschickt schiebt die DRM-Firma Apple den Musikkonzernen den schwarzen Peter zu. Gleichzeitig stellt Jobs die Sinnfrage: „Warum sollten die Big Four Apple und anderen erlauben, ihre Musik ohne Schutz durch DRM-Systeme zu verkaufen? Die einfachste Antwort ist, weil DRM es nicht geschafft hat, die Musik-Piraterie zu stoppen, und es wahrscheinlich auch nie schaffen wird.“ (Jobs 2007) – Und weil die übergroße Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer DRM nicht akzeptiert.37 Anfang April 2007 gab EMI als erster Konzern nach und lizensierte
DRM-freie Musikstücke für Apples iTunes-Shop.
Dennoch: „Es handelt sich um ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen jenen, die die Inhalte verkaufen wollen, und jenen, die sie immer wieder mit verschiedenen Mitteln aus der kontrollierten Zirkulation in die unkontrollierte Zirkulation hineingeben. Sicherheitstechnologien, wie Digital Rights Management Systeme, Kopierschutz … können letztlich immer irgendwann ‚gehackt‘ werden, Rechteverwerter werden trotz des Einsatzes von Schutztechnologien möglicherweise niemals allumfassend das Rennen gegen jene gewinnen, die das notwendige Know-how haben, solcherart Technologien zu knacken und es auch tun.“ (Nuss 2006, S. 63) Das sog. „Darknet“ – das unkontrollierbare und sich permanent rekonfigurierende Geflecht von Peer-to-Peer-Netzen38 – sei das größte Hindernis eines funktionierenden DRM findet Microsoft in einer weiteren Studie heraus: „Es scheint keine technischen Hindernisse für ein weiteres Wachstum der Darknet-basierten Dateiaustausch-Technologien hinsichtlich Bequemlichkeit, Bandbreitennutzung und Effizienz zu geben. Die rechtliche Zukunft der Darknet-Technologien ist weniger sicher, jedoch glauben wir, dass wenigstens für einige Klassen von Nutzern und wahrscheinlich für die Bevölkerung im Ganzen effiziente Darknets existieren werden.“ (Biddle et. al 2002, eigene Übersetzung) Das wiederum führe dazu, dass eigene Maßnahmen einer erhöhten DRM-Sicherheit für den normalen Nutzer (resp. Nutzerin) „abschreckend“ und „weniger attraktiv“ sind. Fazit: „Wenn man mit dem Darknet konkurrieren will, dann muss man es zu den Darknet-eigenen Konditionen tun: Das sind Bequemlichkeit und niedrige Kosten statt zusätzlicher Sicherheit.“ (ebd.). Somit ist der relativ defensive Umgang von Microsoft mit DRM verständlich, zumal die Voraussagen der Expansion des Darknet eingetroffen sind: 60 Prozent des Internetverkehrs bestehen aus Dateiaustausch über Peer-to-Peer-Netzwerke. Der US-Musik- und Filmindustrie gelingt es zwar immer wieder, einzelne Netze zu bedrohen und juristisch unter Druck zu setzen, der Effekt ist jedoch gering, da „Filesharers“ immer wieder auf andere Peer-to-Peer-Netzwerke ausweichen: „Das Katze-und-Maus-Spiel wird weitergehen.“ (Parker 2005, eigene Übersetzung)
Eine Bedrohung der Knappheitsvoraussetzung sowie generell aller Restriktionen im Internet in ganz anderer Qualität stellt das Freenet (Wikipedia 2007d) dar, ein „untypisches Darknet“, weil es potenziell das gesamte Netz umfassen kann. Das Freenet ist ein zensurresistentes und anonymes Peer-to-Peer-Netzwerk, das als Freie Software entwickelt wird. Es könnte die „offenen“ und „bequemen“ Peer-to-Peer Dateiaustausch-Netzwerke ablösen, etwa wenn dort der Verfolgungsdruck zu hoch wird.
Nach Microsoft und Apple beginnt sich auch die rabiat auftretende Musik- und Filmindustrie neu zu orientieren. Neben der Fortführung der Repression unter Zuhilfenahme staatlicher Behörden, bastelt sie fieberhaft an neuen Strategien. Anfang 2007 denkt EMI, einer der „Big Four“, laut über den Ausstieg aus DRM nach. Parker sagte bereits 2005 voraus: „Es ist nur eine Frage der Zeit bis Hollywood akzeptiert, dass es kein ‚Wundermittel‘ zur Bekämpfung der Peer-to-Peer-Piraterie gibt und dann anfängt, es zu umarmen.“ Das bedeutet jedoch kein Ende der Maßnahmen gegen Peer-to-Peer-Netze. Vermutlich wird „Zuckerbrot und Peitsche“ auf längere Zeit die Kombination der Wahl bleiben. Die Regierungen haben sich hierbei in vollem Umfang auf die Seite der Industrie geschlagen. Über die WTO-Verhandlungen mit Russland und China könnten wichtige „Raubkopie-Quellen“ gestopft werden, so die Hoffnung.
Eine „Umgehung“ ganz anderer Art stellt die Freie Kulturbewegung dar, die sich am Vorbild der Freien Software orientiert.39 Sie zielt nicht auf einen Kampf in der Sphäre der Warenzirkulation, sondern baut ihre eigene produktive Basis auf. Nicht um Produkte soll konkurriert, sondern die proprietäre Sphäre soll „aus-kooperiert“ (Lovink 2006) werden. Klassisches Beispiel ist die kollektive Freie Enzyklopädie Wikipedia, die dabei ist, die traditionelle Encyclopædia Britannica „aus-zu-kooperieren“. Oder die Freie Software, die viele Bereiche der „Noosphere“40 erfolgreich demonetarisiert hat, so dass sich kommerzielle Aktivitäten hier „nicht mehr rechnen“. Interessanterweise ist es die aufstrebende „Peripherie“, die das neue wertfreie Potenzial nutzt, denn selbstredend bedeutet „Entwertung“ durch Freistellung im Kontext der Warenproduktion zunächst schlicht Kostenreduktion. Doch es ist ein Unterschied, ob in Indien Bundesstaaten durch Einführung von GNU/Linux Millionen einsparen oder ob IBM auf GNU/Linux setzt, um andere Produkte abzusetzen.41 Bequemlichkeit und niedriger Preis könnten schließlich auch zum entscheidenden Argument für individuelle Computernutzer/innen werden, auf Freie Software ohne Belästigung durch DRM umzusteigen, zumal es inzwischen sehr gute und nutzer/innenfreundliche Linux-Distributionen und Anwendungen gibt.42
Seit Einführung der Creative Commons (CC-) Lizenzen43 erlebt die Freie Kulturbewegung einen enormen Aufschwung – eine zweite Welle nach der Freien Software. Allein im Onlinebereich ergab die letzte Zählung (April 2007) 200 Millionen Referenzen auf die CC-Lizenzen. Eine Studie unter Künstlerinnen und Künstlern44 ergab zwei Hauptgründe für die Verwendung der CC-Lizenzen: Das traditionelle Copyright sei zu komplex und zu teuer in der Anwendung, und mit den CC-Lizenzen ließen sich Netzwerkeffekte besser nutzen für die Vermarktung des eigenen kreativen Werks. Auch hier können wir den Effekt des „Entwertens-um-zu-verwerten“ beobachten: „Netzwerkeffekt“ ist nur ein anderes Wort für „aus-kooperieren“. Das Resultat erscheint paradox. Auf der Grundlage der Verwertungslogik verliert die Ware mit der Knappheit ihre Form, wird freigestellt und damit faktisch entwertet, um doch noch eine Art „sekundäres Einkommen“ zu erzielen: aus Spenden und Werbeeinnahmen, Verkauf von Umfeldprodukten, Durchführung von Live-Events etc.45
Rund um die CC-Lizenzen sind völlig neue Formen der Subsistenz entstanden. So wird in den Favelas Brasiliens täglich Musik produziert, die auf CDs gebrannt ausschließlich über den Straßenhandel vertrieben wird. Schätzungen gehen von 80 Neuveröffentlichungen pro Woche aus, während es BMG/Sony gerade einmal auf 15 Neuerscheinungen brasilianischer Interpreten bringt – pro Jahr und erhältlich nur in „normalen“ Geschäften. „Ausschalten der Vermittler“ wird dies in der Community genannt, „aus-kooperieren“ durch Aufbau von Peer-to-Peer-Netzwerken, die jene verselbstständigte Sphäre der „Ökonomie“ nicht mehr benötigt, würde ich es bezeichnen. Dieser Prozess vollzieht sich noch innerhalb von Ware-Geld-Beziehungen und ist eindeutig auch ein Resultat massenhafter Prekarisierung. Aber genau vor dieser Frage stehen emanzipatorische Bewegungen: Was tun, wenn unsere Voraussagen zutreffen? Wenn vor unseren Augen zäh das zusammensinkt, von dem wir alle leben?
Die brasilianische Regierung unterstützt den Entkopplungsprozess durch den Aufbau lokaler Kulturzentren („Pontos de Cultura“). Dahinter steht eine ambivalente, aber durchaus realistische Einschätzung: „Der ‚Job‘ ist eine sterbende ‚Art‘ des Zwanzigsten Jahrhunderts. … Es wird auch keine soziale Sicherheit mehr geben“, so Claudio Prado, Leiter der Abteilung für Digitale Kultur im brasilianischen Kulturministerium auf der Berliner Konferenz „Wizards of OS“ im September 2006 (eigene Übersetzung). Krisenerscheinung und neue Formen lokaler Subsistenz und Autonomie jenseits „normaler Lohnarbeit“ liegen eng beieinander. In Brasilien wie vielleicht in vielen Entwicklungsländern sind die Bedingungen für die Wiederentstehung lokaler Autonomie günstig: Die zunehmende Verfügbarkeit von Computern und Internetzugängen verbinden sich mit einer traditionellen Kultur des Teilens. Das Copyright war bis zur Verfügbarkeit der CC-Lizenzen nahezu unbekannt und kulturell unvereinbar mit der Lebensweise. Prado sprach daher von der Möglichkeit, „den Scheiß des 20. Jahrhunderts zu übergehen, um direkt vom 19. in das 21. Jahrhundert zu gelangen“.
Diese wenigen Beispiele des Kampfes um Zirkulation und Produktion digitaler Güter veranschaulichen die Widersprüchlichkeit des Zerfallsprozesses der Warenproduktion zwischen Degression und neuen Möglichkeiten. Nicht stoffliche Güter unterscheiden sich dabei deutlich von stofflichen Gütern. Zwar können beide Warenform annehmen, doch während stoffliche Güter im Tausch den Besitzer wechseln, erreicht das Universalgut – in privatisierter oder freier Form – durch Distribution einen zusätzlichen Besitzer. Zwar erfordern beide den Einsatz von Arbeitskraft bei der Herstellung. Doch aufgrund der nahezu aufwandslosen Kopierbarkeit stehen Universalgüter – Software, Wissen, Musik, Filme, Texte etc. – im Gegensatz zu rivalen stofflichen Gütern nach ihrer Produktion potenziell der ganzen Menschheit zur Verfügung. Gemeinsam ist beiden wiederum, dass die Produktion – bei stofflosen Gütern die Herstellung der Urkopie – aufgrund der Verbilligung der Produktionsmittel in immer stärkerem Maße von den Menschen selbst durchgeführt werden kann. Noch vor 10 Jahren war es den „Musikproduzenten“ in den Favelas Brasiliens nicht möglich, ihre CDs für den Straßenhandel selbst herzustellen. Ein weiteres Beispiel ist die „illegale Güterproduktion“. Dabei handelt es sich um Produkte, bei deren Herstellung gegen Urheber- und Markenrechte verstoßen wird. Das betrifft neben den hierzulande durchaus bekannten „unechten Konsumartikeln“ auch Produktionsmittel. So waren in den Jahren 2004 und 2005 drei Viertel aller in Brasilien verkauften Computer „illegal zusammengestellt“.46 Erst ein Kreditprogramm der Lula-Regierung zum Kauf legaler Computer konnte in 2006 die Quote unter 50 Prozent drücken.
Angesichts dieser Entwicklungen muten die Versuche der großen traditionellen Medienkonzerne wie Rückzugsgefechte an, denn die beschriebenen Entknappungs-, Entwertungs- und Aneignungsprozesse lassen sich nicht mehr eindämmen – weder über den „privaten Weg“ per DRM, noch über den staatlich-rechtlichen Weg per WIPO & Co, noch über eine Kombination von beidem. Die reale, weil praktische Vergesellschaftung eines großen Teils des gesellschaftlichen Reichtums ist ein wesentlich günstigerer Ausgangspunkt für emanzipatorische Entwicklungen jenseits von Ware und Geld als das traditionelle politik- und staatsfixierte Delegieren der eigenen Handlungsmacht, das die hiesigen linken „Reformansätze“ auszeichnet – so verständlich sie angesichts der Krise des Sozialstaats auch sein mögen.
Konstitution – theoretisch und praktisch
Der Kapitalismus hat in seiner historisch-spezifischen Form der Produktivkraftentwicklung mit Internet und Computer eine universelle Technologie hervorgebracht, die den schon von Marx vorausgesagten Ablösungsprozess der genuin wertsubstanzlosen allgemeinen Arbeit von der wertproduktiven abstrakten unmittelbaren Arbeit in die stofflich adäquate Form bringt: „Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein“, sobald also die allgemeine Arbeit und die „freie Entwicklung der Individualität“ die Grundlage der Reichtumsproduktion wird und dabei universelle Güter produziert, „bricht die auf dem Tauschwert ruhende Produktion zusammen“ (Marx 1857/58, S. 593). Dieses „Zusammenbrechen“ ist jedoch kein schlagartiger Prozess, auch wenn es immer wieder Entladungen zur Regulation von Spannungsspitzen wie beim Crash der Dotcom-Blase geben wird. Es handelt sich eher um ein zähes Zusammensinken und globales Umgruppieren kapitalproduktiver Zentren, das uns noch eine Weile begleiten wird.
Es gilt diesen Prozess zu begreifen und in ihm handlungsfähig zu bleiben und zu werden. Es gibt kein Land außerhalb, das nur neu zu besiedeln wäre. Es gibt auch keine Möglichkeit, schlicht nur die „Macht zu ergreifen“, um die Welt zu heilen. Sondern es geht darum, in der alten Welt eine neue zu bauen, zu konstituieren. Dabei ist „Konstitution“ ein schillernder Begriff – genauso etwa wie „Aufbau einer Gegenvermittlung“ oder andere „Platzhalter“. Konstitution ist zugleich ein theoretischer und praktischer Prozess. Konstitution ist theoretisch insoweit es permanent darum geht, die nahegelegten Denkformen bürgerlicher Vergesellschaftung zu dekonstruieren und eigene Denkformen zu schaffen, um die eigene Praxis kritisch zu reflektieren und Kriterien für eine warenkritische Praxis zu entwickeln. Konstitution ist praktisch insoweit es darum geht, Experimente durchzuführen, die einen Bruch oder zumindest eine Kritik der Warenform zum Inhalt haben – trotz aller Ungewissheit und Widersprüchlichkeit. Dabei gibt es herausragende Beispiele und Orientierungspunkte in der Freien Software- und Freien Kulturbewegung. Der nach Software und Kultur logisch dritte Schritt wäre eine Freie Produktion des gesellschaftlichen Lebens im umfassenden Sinne. Dabei ginge es „ums Ganze“, denn dieser „Schritt“ würde die Umwälzung der gesamten Lebensweise umfassen.
Am Beispiel des Begriffs der Knappheit habe ich zu zeigen versucht, was theoretische Konstitution durch Dekonstruktion bürgerlicher Kategorien heißen kann. Im Fokus stand die Kritik der scheinbar offensichtlichen Differenz von „natürlicher“ und „künstlicher“ Knappheit. Aus diesem Dualismus wird geschlussfolgert, bei ersterer könne man nichts machen – außer einen Mangel gerecht zu verteilen – und gegen die zweite Form sei zu kämpfen, weil diese nicht sein müsste und nur aus Verwertungsgründen der Ware aufgezwungen werde. Diese Dualität scheint sich durch die Begrenztheit jeder stofflichen und somit „natürlich knappen“ Produktion und die Unbegrenztheit der Produktion nicht stofflicher und also nur „künstlich zu verknappender“ Güter zu bestätigen. Der Schein jedoch trügt: Jede Knappheit ist künstlich und natürlich zugleich. Künstlich ist sie, weil, entgegen der Behauptung, auf der stofflichen Ebene eine Zugriffsbeschränkung keinen genuinen Bezug hat, sondern allein der historischen Sonderform der Produktion eines Guts als Ware geschuldet ist; natürlich ist sie, weil die Ware genuin knapp ist und ohne Knappheitseigenschaft sofort die Warenform verliert.
Die Denkfigur „künstliche vs. natürliche Knappheit“ übernimmt unhinterfragt die charakteristische Spaltung „Ökonomie vs. Nicht-Ökonomie“, in der gesellschaftliche Bedürfnisse und die Produktion der Befriedigungsmittel getrennt sind und erst a posteriori auf dem Markt über Geld vermittelt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Gut – je nach Verfügbarkeit – wahlweise als „natürlich knapp“ oder „künstlich knapp“, weil die Produktion als separierte Sphäre eigenen Gesetzen gehorcht, die nichts mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen zu tun haben. Wird hingegen diese Separation denkend aufgehoben, was eine Voraussetzung für die Überwindung der Warengesellschaft ist, dann wird klar: Gesellschaftliche Herstellung der Lebensbedingungen bedeutet immer den erweiternden Umgang mit Begrenzungen angesichts der jeweils historisch ausgebildeten Bedürfnisse. Ein Umgang, der von den jeweils vorliegenden Voraussetzungen ausgeht, um die Produktion der Befriedigungsmittel zu organisieren. In der Warenproduktion hat sich dieses Verhältnis verkehrt: Die Produktion bestimmt hier eigenlogisch, welche Güter knapp, also als Waren, hergestellt werden, um – im günstigen Fall – auf einen zahlungskräftigen Bedarf zu treffen. Nur in der Warenproduktion nehmen gesellschaftliche Begrenzungen die Form der Knappheit an.
In der Diskussion über „normale“ Waren und Knappheit sorgt das Auftreten einer neuen Güterklasse, der privatisierten Universalgüter, für Verwirrung. Bei diesen Gütern handelt es sich zwar nicht um Waren, aber dennoch um Bezahlgüter. Universalgüter entstehen durch allgemeine Arbeit, sei es in privater oder freier Form. Sie können nur gegeben, nicht aber getauscht werden. Davon macht auch die „preisbewährte Gabe“ keine Ausnahme. Der „Verkauf“ ist nur möglich, wenn Universalgüter in exklusiver privater Verfügung liegen. Was bei Waren zusammenfällt – Warenform und Knappheit –, muss bei privatisierten Universalgütern künstlich additiv hergestellt werden. In der Rede von der „künstlichen Knappheit“ scheint dieser Unterschied auf. Doch trotz nachträglicher Verknappung, trotz äußerlich aufgesetzter „Warenform“, werden aus privatisierten Universalgütern keine wirklichen Waren, denn diese ändert nichts an ihrem wertsubstanzlosen Charakter. Die Verkaufbarkeit entscheidet zwischen proprietärer und freier Form. Ein privatisiertes Universalgut muss der proprietären Form unterworfen sein, weil sonst die Nicht-Exklusivität und Nicht-Rivalität jede Verkaufsabsicht unterläuft. Proprietär kann ein Universalgut indes nur sein, wenn der Zugriff darauf technisch behindert und rechtlich sanktioniert wird. Wird die rechtliche Form durch eine entsprechende freie Individualverfügung unterlaufen (etwa eine freie Lizenz), so kann dem Universalgut auch äußerlich keine Warenform aufgezwungen werden. Das nutzen die Bewegungen Freier Güter (Software, Wissen, Kultur) aus: Freie Güter sind nicht nur wertlos, sondern auch warenformlos, weil sie als freie Universalgüter produziert werden: Die allgemeine Arbeit findet im freien Universalgut ihre adäquate Form.
Das Abschlusszitat – ursprünglich intendiert als Horrorgemälde – sei einem bekannten Volkswirtschaftler gegönnt: „Ohne Knappheit gibt es keine wirtschaftlichen Probleme, keine Preise, Löhne, Zinsen, Mieten, nicht einmal Geld und weder Armut noch Reichtum, sondern die immerwährende Befriedigung und Sattheit: das Schlaraffenland.“ (Häuser 1972) – Wo kämen wird denn da hin?!
Literatur
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1„In der Phänographie geht es … um verdeutlichende Heraushebungen relevanter Züge des Gemeinten zu Zwecken der Verbesserung intersubjektiver Verständigung über das, wovon die Rede sein soll.“ (Holzkamp 1973, S. 21) Demgegenüber können Definitionen als „möglichst präzise Bestimmungen des genus proximum und der differentia specifica zu Klassifikationszwecken“ (ebd.) erst am Ende eines wissenschaftlichen Prozesses stehen.
2Wie Lohoff (ebd.) darlegt, sind jedoch nicht alle Bezahlgüter auch Tauschgüter. Erwerbe ich das Recht eine Software zu nutzen, so gebe ich zwar mein Geld hin, besitze es anschließend folglich nicht mehr, und ich erhalte dafür auch die Software. Der Verkäufer hingegen ist in der komfortablen Lage, die Software keineswegs weggegeben und stattdessen nur mein Geld eingestrichen zu haben.
3Ob Universalgüter als Nicht-Tauschgüter und damit Nicht-Waren trotzdem Warenform besitzen können – quasi als „sinnliche Hülle ohne echte (Wert-)Substanz“ – ist zwischen Ernst Lohoff und mir nicht geklärt.
4Eine Vorversion dieser „Vorklärung“ wurde nach dem bei der Entwicklung von Internetstandards bekannten Verfahren der „Request for Comments“ intensiv und strittig öffentlich diskutiert (Keimform-Blog 2007).
5Einen Sonderfall stellt Individual-Software dar, die kein Universalgut ist, weil sie für einen singulären Zweck und Ort erstellt wurde, etwa zur Steuerung einer speziellen Maschine (vgl. dazu Lohoff 2007). Sofern es im Folgenden um Software geht, ist stets für die Distribution bestimmte Universal-Software gemeint.
6Genau genommen geht es nur um geldbewährte Bedürfnisse, die Bedarfe genannt werden. Dass Bedarfe angesichts endlichen Geldes doch nur endlich sind, interessiert die Wirtschaftstheorie nicht weiter, denn es ist einzig Sache des Bedürfnisinhabers dieses kontinuierlich mit Geld zu bewähren.
7In diesem Fall wird auch von „Marktversagen“ gesprochen. Aus dem Marktversagen wird wiederum geschlossen, „dass die betreffenden Güter nicht produziert werden und Bedürfnisse somit unbefriedigt bleiben“ (Goldhammer 2006, 82), was jedoch zuvor als Ursache des Marktversagens angegeben wurde.
8www.freie-gesellschaft.de ist ein kollektives Projekt zur Frage der „Übertragbarkeit der Prinzipien Freier Software auf andere Lebensbereiche“.
9Nutzbarer Raum ist eine endliche Ressource.
10Die Problematik, dass Marx eine überhistorische Aussage mit dem historisch- und formspezifischen Begriff der Gebrauchswert schaffenden nützlichen Arbeit belegt, sei hier ausgeklammert.
11Selbstverständlich gibt es „natürliche Grenzen“, die jedoch keinesfalls als „natürliche Knappheit“ erscheinen müssen. Diese fundamentale Differenz wird später erläutert.
12Das Wort „Bedarf“ ist hier mit der Seite zum Stichwort „Bedürfnis“ verlinkt, obwohl tatsächlich nur das zahlungsfähige Bedürfnis, also der Bedarf, eine Rolle spielt (vgl. auch Fußnote 1).
13Allerdings hält sie das bürgerliche Eigentum für die basale Form, während die Vergesellschaftung über Ware und Wert für sie abgeleitete Formen sind (vgl. dazu Meretz 2007).
14„Isoliert für sich betrachtet außerhalb des Austausches ist der Warenkörper nicht Ware, sondern bloßes Produkt.“ (Heinrich 1999, S. 216) Vgl. dazu kritisch Trenkle (2000).
15Es handelt sich um einen doppelten Möglichkeitsraum: Individuell ist die je eigene Beteiligung und gesellschaftlich ist die Form der Vermittlung nicht determiniert.
16Zum Verhältnis von Deuten zu Begreifen in der bürgerlichen Gesellschaft vgl. auch Holzkamp (1983, S. 383ff.).
17Die – nicht nur beim Traditionsmarxismus – häufig anzutreffende Reduktion der Produktivkraftentwicklung auf die dingliche „Mittelseite“ ist völlig inadäquat.
18Diese doppelte Exklusion erklärt auch, warum „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ nicht bloße Ideologie, sondern auch begründetes individuelles Wollen in der bürgerlichen Subjektform ist: Ein Wollen kann sich nur in den gegebenen Formen ausdrücken – so „falsch“ es auch sei.
19Die Ökonomie als solche zu denunzieren, ist nicht ohne weiteres verständlich, bemühen sich viele Kritiker/innen doch um eine „solidarische Ökonomie“. Hier verhält es sich mit der Ökonomie wie mit der Knappheit: Das aufgeherrschte Denkdogma, dass die gesellschaftliche Herstellung der Befriedigungsmittel in der Sondersphäre namens „Ökonomie“ erfolgt, ist genauso zu destruieren wie die Annahme, dass dies in Formen der Knappheit zu geschehen habe. – Von hier aus können wir beginnen, über solidarische Lebensweisen nachzudenken.
20In Meretz 2004 und folgenden Texten verwendete ich in Übernahme eines Vorschlags aus dem Oekonux-Projekt (www.oekonux.de/liste/archive/msg03921.html) noch die Begriffe Vorkommen, Begrenztheit und Knappheit.
21Content (englisch): Inhalt, Gehalt. Gemeint sind v.a. die Inhalte elektronischer Medien: Texte, Bilder, Musik, Filme.
22Informationsprodukte besitzen keine intrinsische Eigenschaft, die den Ausschluss von der Nutzung herstellt.
23Durch die Nutzung eines Informationsprodukts wird der Nutzen für andere nicht verringert.
24Versuche, die „Knappheit“ allein den Informationsgütern per „Kopierschutz“ einzupflanzen, sind nahezu komplett gescheitert, da sie sich bloß im Medium des Codes bewegen und folglich stets in diesem „geknackt“ wurden.
25Genau genommen ist auch der individuell genutzte Computer Teil des weltweiten Netzes, in dem jede Aktion stets „kopieren“ impliziert.
26Lieblingskind der Contentindustrie ist die sog. „Superdistribution“, auch als „virales Marketing“ bezeichnet. Danach sollen Nutzer Inhalte weitergeben, deren Empfänger dann für die Nutzung zahlen müssen (etwa pay-per-use und verwandte Formen). Der emphatische Impuls des „Teilens“ wird so instrumentalisiert und zum Distributionskanal transformiert: „It pays to share“, etwa bei peerimpact.com, vergleichbar aber auch bei Amazon und iTunes.
27Die beiden DRM-Technologien „Protected User Mode Audio“ und „Protected Video Path“ funktionieren ähnlich: „Vista“ erzeugt eine eigene Prozessumgebung („virtuelle Maschine“), die alle beteiligten Komponenten auf Zertifizierung und Integrität prüft. Im Falle einer irregulären Veränderung („Manipulation“) werden die digitalen Ausgänge abgeschaltet.
28Der Regionalcode begrenzt die Abspielbarkeit einer DVD auf einen bestimmten Teil der Erde, um eine bestimmte regionale „Verwertungskaskade“ durchsetzen zu können. Insgesamt implementiert die DVD-Technik bis zu zehn verschiedene technische „Schutzmaßnahmen“ (vgl. Grassmuck 2006, S. 170ff.).
29Vgl. dazu ausführlich Nuss (2006, S. 67ff.).
30WIPO: World Intellectual Property Organization, eine UN-Unterorganisation.
31DMCA: Digital Millennium Copyright Act.
32Die Privatkopie wird nicht verboten, es gibt „nur“ kein Anrecht mehr auf Anfertigung einer privaten Digitalkopie. Mit dem Verbot der Umgehung von DRM-Techniken wird die Privatkopie faktisch ausgehebelt. Mittlerweise wurde auch die ursprünglich vorgesehene Bagatellklausel, nach der Verstöße durch private Endnutzer/innen straffrei bleiben sollten, gestrichen.
33Musik: www.copykillsmusic.de, Film: www.hartabergerecht.de
34„Warez“ ist der Sammelbegriff für illegal verbreitete Software, aber auch Musik, Filme etc. (vgl. Bleich/Briegleb 2006).
35Das Preisgefälle ausnutzend kaufte eine in Deutschland lebende Chinesin bei der chinesischen Amazon-Tochter jojo.com DVDs ein und verkaufte sie via eBay teurer weiter – eine Art Importservice. Die GVU erfuhr von diesem Handel, erstattete Anzeige und lieferte ein windiges Gutachten, das zur Grundlage von Inhaftierung und Beschlagnahme wurde – eine Art „‚Public-Private-Partnership‘ zwischen den privaten Fahndern von Lobbygruppen und den staatlichen Strafverfolgern“ (Bleich 2006). Nach öffentlichem Druck erklärte das Landgericht Kiel das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig.
36Gleichwohl wird dennoch auch der Eigentumsbegriff ideologisch beackert. So hat Microsoft, wiederum flankiert durch die Regierung, den Wettbewerb „Die Idee. Zum Schutz des geistigen Eigentums.“ aufgelegt. Erstes Thema: „Aufklärungsarbeit“. Online: www.microsoft.com/germany/aktionen/dieidee/default.mspx
37Eine Umfrage der Financial Times im Februar 2007 nach dem Jobs-Statement zeigte ein klares Bild: 98 Prozent waren der Meinung, die Musikkonzerne sollten auf DRM verzichten, nur 2 Prozent waren bereit, DRM zu akzeptieren. Online: www.ft.com/drm
38Ein Peer-to-Peer-Netz ist ein dezentrales Netzwerk von Computern, in dem jeder Dienste bereitstellen (Server) und Dienste nutzen (Client) kann. Vgl. dazu auch Wikipedia 2007c.
39Das große „F“ im Adjektiv „Frei“ verweist auf die „vier Freiheiten“ der Freien Software, die für den Bereich digitaler Kulturgüter adaptiert wurden: die freie Nutzung zu jedem Zweck, der freie Zugang zu den Quellen, die freie Kopie und Weitergabe sowie die Möglichkeit zum Remix und Verbreitung der abgeleiteten Stücke (vgl. freedomdefined.org).
40Noosphere ist ein Begriff von Eric Raymond, einem prominenten Entwickler und Interpreten Freier Software. Die Noosphere ist der virtuelle Raum möglicher Anwendungen, der von Entwicklerinnen und Entwicklern mit ihren Anwendungen „besiedelt“ wird – in Analogie zur Theorie der Aneignung von Land durch Arbeit nach John Locke (vgl. Raymond 2001, S. 65ff.).
41Auf der Konferenz „Wizards of OS“ im September 2006 berichtete Atul Chitnis (Bangalore, Indien) davon, dass die Entwicklungsländer wesentlich stärker Freie Software nutzen als selbst dazu beizutragen. Allerdings sei das Bild dadurch verzerrt, dass wegen des Brain-Drain viele Beiträge nicht aus den Heimatländern, sondern aus den Ländern kämen, wohin sie wegen der Arbeit gegangen wären.
42Ein Beispiel ist die südafrikanische Distribution „Ubuntu“. Das Wort „Ubuntu“ kommt aus den Sprachen der Zulu und der Xhosa und heißt sinngemäß übersetzt: „Ich bin – weil ihr seid“. Online: www.ubuntu.com
43Creative Commons Lizenzen regeln den „Freiheitsgrad“ bei der Nutzung von Inhalten. Die Nutzungsbedingungen lassen sich individuell „konfigurieren“ (Pflicht zur Urhebernennung, nicht kommerziell etc.) und sind sehr einfach in der Anwendung. Online: creativecommons.org
44„UK Artists, Copyright and Creative Commons“ (The Arts Council England und OpenBusiness.cc), online: netzpolitik.org/2006/report-uk-artists-copyright-and-creative-commons/ (25.04.2007).
45Der Betreiber des Portals freier Musik jamendo.com, Laurent Kratz, prognostizierte auf der Konferenz „Wizards of OS“ im September 2006, dass auf lange Sicht alle Musik „frei“ sein werde und die Einkünfte nur noch über Live-Auftritte zu erzielen seien.
46Dabei überschneiden sich das Zusammenstellen neuer Computer und das Wiederherstellen gebrauchter Computer. Der Fokus sozialer Projekte bei der „Wiederherstellung“ liegt dabei auf der „Wiederaneignung von Technologie für die soziale Transformation“, vgl. z.B. metareciclagem.org