Zum G8-Gipfel
5.6.2007
Ernst Lohoff
Angesichts der aus Stasizeiten vertrauten Abnahme von Geruchsproben, angesichts massiver Einschüchterungsversuche im Vorfeld des Gipfels und der Errichtung eines anti-antiimperialistischen Schutzwalls um den Tagungsort fühlen sich viele im deutschen Osten heim in die gute alte DDR versetzt. Was die strukturelle Paranoia der politischen Klasse angeht, stimmt der Vergleich zweifellos, herrschaftsgeographisch betrachtet hinkt er allerdings. Das große Vorbild des Heiligendammer Sicherheitszaun hat einst die sozialistische Weide eingehegt, um die Arbeiter- und Bauernschäfchen am Weglaufen zu hindern. Das Remake sorgt dagegen dafür, dass potentielle Störer, also alle außer den Funktionsträgern, draußen bleiben müssen.
Die Verlegung der G 8-Treffen von Städten wie Seattle oder Genua in “sicherheitstechnisch” hochgerüstete Römerlager auf Zeit in der tiefsten Provinz, fügt sich in eine allgemeinere Entwicklung ein. In den letzten Jahren hat sich gegenüber älteren Phasen der kapitalistischen Gesellschaft eine bezeichnende Rollenumkehr vollzogen. Seit dem 16. und 17. Jahrhundert haben die Herrschenden Vagabunden und Arbeitsscheue hinter Schloss und Riegel bringen lassen, heute sperren sie sich sicherheitshalber selber weg. Von den Tagen des Absolutismus bis zu den Nachkriegsdemokratien bildete der Sitz des Souveräns das gut sichtbare, symbolische Zentrum eines Staates, der zumindest dem Anspruch nach sein gesamtes Territorium gleichermaßen erfassen wollte. Daneben entstanden Sonderzonen der Unzugänglichkeit und der potenzierten Kontrolle wie das Gefängnis, das Arbeitshaus und schließlich das Lager, die zur Aussonderung gewöhnlicher Deliquenter und vermeintlicher und tatsächlicher Staatsfeinde gedacht waren. Das heutige Aussperrregime greift auf diese Vorbilder zurück und organisiert die Zonen der Macht zum Hochsicherheitstrakt um.
Offiziell soll der G8 Gipfel die großen globalen Probleme (Klimaschutz, Verarmung) einer Lösung näherbringen. Es ließen sich viele Gründe dafür angeben, warum kaum jemand ernsthaft erwartet, dass er diesem Anspruch gerecht wird. Dazu gehört auch die unmissverständliche sicherheitsgeograpische Message, die von Heiligendamm ausgeht: “Diese Welt ist nicht von unserem Reich.”