Zur Auseinandersetzung mit der Geldpfuscherei
Julian Bierwirth
In einer alten indischen Legende über die Erfindung des Schachspiels wird berichtet, der Erfinder des Spiels habe von seinem König für diese Erfindung nicht mehr verlangt als Weizenkörner. Ein Korn auf das erste Feld des Schachbrettes, die doppelte Menge auf das zweite Feld, wiederum die doppelte Menge auf das dritte Feld und so weiter. Der König, der zunächst erbost war ob der vermeintlichen Bescheidenheit des weisen Brahmanen, musste schnell einsehen, dass er sich auf einen für ihn ziemlich ruinösen Deal eingelassen hatte, da die Zahl der Weizenkörner auf den letzten Feldern des Schachbrettes astronomische Ausmaße angenommen hatte.
In leicht veränderter Fassung ist diese Geschichte auch heute noch sehr beliebt. Die Weizenkörner werden dann zumeist durch Geld ersetzt, und so verändert soll die Geschichte als Beispiel für die verheerende Wirkung von Zinseszins und nicht selten als vermeintlicher Grund allen Übels im Kapitalismus herhalten. Zins und Zinseszins sind demnach die Ursache nicht nur für die Verschuldungsspiralen der öffentlichen und privaten Haushalte, sondern haben zudem Wirtschaftswachstum und Ausbeutung zur Folge: um die Zinsen bedienen zu können, seien Unternehmen darauf angewiesen, sich dem Willen des Geldes zu beugen und ihre Unternehmenspraxis auf Profiterwirtschaftung umzustellen. Als Ausweg wird dann zumeist eine Geldreform anvisiert, durch die das Geld mittels negativer Zinsen entwertet werden soll.
In diesen Ansätzen wird von einer nicht bestreitbaren Beobachtung (der Existenz von Zins und Zinseszins und ihrer exponentiellen Vermehrung im angeführten Beispiel) begründungslos darauf kurzgeschlossen, dass dieser Mechanismus nicht nur ein Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, sondern vielmehr die Ursache für diese Prozesse sein soll. Im Folgenden sollen die sozio-ökonomischen Grundannahmen dieser Theorien kritisiert werden. Anhand der methodologischen und kategorialen Basisannahmen der Gesell’schen Zinskritik und der Marx’schen Kritik der Politischen Ökonomie soll dargestellt werden, wie erstere die kritische Fragestellung der letzteren nicht einmal wahrnimmt.
Der sogenannte Wert
In dem so überschriebenen Kapitel aus Gesells Klassiker „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“ macht Gesell den prinzipiellen Unterschied zwischen seinem Vorgehen und dem von Marx deutlich. Seine Argumentation und die Selbstverständlichkeit, mit der sie vorgetragen wird, sind derart bezeichnend, dass sie hier ausführlich zitiert seien:
„Übrigens sagt es ja auch Marx, dessen Betrachtung der Volkswirtschaft von einer Werttheorie ausgeht: ,der Wert ist ein Gespenst‘. – Was ihn aber nicht von dem Versuch abhält, das Gespenst in drei dicken Büchern zu bannen. ,Man abstrahiere‘, so sagt Marx, ,von den bearbeiteten Substanzen alle körperlichen Eigenschaften, dann bleibt nur noch eine Eigenschaft, nämlich der Wert.‘
Wer diese Worte, die gleich zu Anfang des ,Kapitals‘ zu lesen sind, hat durchgehen lassen und nichts Verdächtiges in ihnen entdeckt hat, darf ruhig weiterlesen. Er kann nicht mehr verdorben werden. Wer sich aber die Frage vorlegt: ,Was ist eine Eigenschaft, getrennt von der Materie?‘ – wer also diesen grundlegenden Satz im ,Kapital‘ zu begreifen, materialistisch aufzufassen versucht, der wird entweder irre, oder er wird den Satz für Wahnsinn, seinen Ausgangspunkt für ein Gespenst erklären. (…) Die Abstraktion Marx’ ist in keinem Schmelztiegel darstellbar. Wie sie sich völlig von unserem Verstande loslöst, so auch von allem Stofflichen.“ (Gesell:Die natürliche Wirtschaftsordnung)
Es soll hier keine Rolle spielen, dass die vermeintlichen Zitate, die Gesell seinem Gegenüber unterstellt, hier wie auch zumeist sonst eher eigenwillige Zusammenfassungen denn tatsächliche Zitate sind. Wesentlicher ist die Tatsache, dass Gesell hier darauf beharrt, dass es möglich sein müsse, die Dinge bloß aufgrund ihrer stofflichen Körperlichkeit zu betrachten. Ganz in diesem Sinne wird von ihm das Geld unabhängig von der Gesellschaftsform, in der es existiert, als technischer Gegenstand mit „natürlichen“ Eigenschaften angesehen, die ihm als bloßem Ding zukommen sollen.
Dies wird auch deutlich in der berühmten Gesell’schen Robinsonade, in der Gesell seinen Robinson mit einem ausgebildeten Zinskritiker konfrontiert, den es zufällig auf Robinsons einsame Insel verschlagen hat. Da Robinson gerade im Begriff war, ein größeres Bauprojekt zu realisieren und dafür seine gesamte Arbeitskraft aufzuwenden gedachte, hatte er für seine tägliche Reproduktion vorgesorgt und für mehrere Jahre Kleidung und Nahrungsmittel angehäuft. Der Fremde möchte sich nun Nahrungsmittel und Kleidung von Robinson leihen, solange bis er in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen. Obwohl Robinson zunächst Zinsen auf die verliehenen Gebrauchsgüter haben möchte, überlegt er es sich am Ende noch einmal anders. Denn der Fremde zeigt ihm, dass es auch ohne Zins für ihn besser ist, die Dinge zu verleihen statt einfach herumliegen zu lassen: Da Fleisch irgendwann vergammele und Kleidungsstücke früher oder später mit Motten zu kämpfen hätten, würde sich Robinson alleine schon dadurch besser stellen, dass er genau das wiederbekäme, was er verliehen hat – und somit keinen Verlust erleide.
Das Problem am Geld ist nun für Gesell, dass es keine Ware wie die anderen Waren ist. Geld wird im Unterschied zu ihnen nicht schlecht. Ganz im Gegenteil: da es nicht schlecht werden kann, ergibt sich für die GeldbesitzerInnen ein struktureller Vorteil: sie können das Geld „horten“, dadurch knapp machen und so günstige Vertragsbedingungen erzielen.
Auch hier ist deutlich, dass Gesell nicht nur von den stofflich-körperlichen Eigenschaften des Geldes im Unterschied zu den Waren ausgeht, sondern dass er zudem ganz grundsätzlich keinen Unterschied zwischen den sinnlichen Eigenschaften der Waren und ihren gesellschaftlichen Eigenschaften sehen will. Diese monokausale Betrachtung der Dinge kommt dabei nicht nur ohne eine theoretische Erklärung aus, sondern bildet vielmehr den stillen Hintergrund der gesamten Argumentation. Während Marx sich über viele Seiten hinweg abmüht, den von ihm behaupteten Doppelcharakter der Warenwelt zu plausibilisieren, hält Gesell dergleichen nicht für notwendig. Zu selbstverständlich und normal erscheinen ihm die Verhältnisse, die er als natürlich und unabänderlich voraussetzt.
Fetischismus der Natürlichkeit
Wie aber begründet Marx den Doppelcharakter der Waren als stofflich-sinnlich und zugleich abstrakt-gesellschaftlich? Er tut dies, indem er auf den spezifisch gesellschaftlichen Charakter der Warenproduktion und damit auf den spezifischen Charakter des Kapitalismus verweist. Sie hat zur Voraussetzung, dass die Menschen als „vereinzelte Einzelne“ existieren und als solche keinerlei Zugriff auf den gesellschaftlichen Reichtum haben. Sie haben lediglich die Möglichkeit, Waren zu produzieren und zu verkaufen (und sei es nur ihre eigene Arbeitskraft), um auf den von ihnen erhofften Teil am gesellschaftlichen Reichtum zugreifen zu können. Die Einzelnen produzieren dabei keine Gebrauchsgegenstände zum Zwecke der eigenen Nutzung, sondern lediglich um über ihren Verkauf in den Genuss anderer, auf demselben Wege produzierter Güter zu gelangen. So entsteht durch das Handeln der Menschen selbst eine historisch einmalige Abhängigkeit aller voneinander und mit ihr eine strukturelle, allseitige Konkurrenz gegeneinander. In dieser allseitigen Abhängigkeits- und Konkurrenzsituation spielt nun das Geld die Rolle des Vermittlers zwischen den isolierten PrivatproduzentInnen.
Diese Situation unterscheidet sich fundamental von der Bedeutung des Geldes in vormodernen Gesellschaften. Wenn also in Debatten um Zinskritik und eine vermeintlich „natürliche“ Wirtschaftsordnung beständig auf Beispiele aus dem Mittelalter (etwa in der Debatte um die sog. Brakteaten) oder aus Bibel und Koran verwiesen wird, so sind diese schlichtweg irreführend: In den entsprechenden Sozialwesen hat das Geld keineswegs die Bedeutung, die ihm heutzutage zukommt – sondern ist in ein vielfältiges System sozialer Normen eingebunden.
Die Besonderheit des Geldes im modernen Sozialwesen entgeht Gesell jedoch, wenn er sich allein auf das Geld als Ding stürzt. Das gilt auch für seinen Versuch, die Marx’sche Abstraktion von der konkreten Gegenständlichkeit der Dinge zu kritisieren. Jenseits der konkret-wahrnehmbaren Einzelphänomene steht für Gesell (ganz im Sinne einer positivistischen Sozialwissenschaft) lediglich die Metaphysik. Marx hingegen hebt mit seiner Analyse auf den oben skizzierten gesellschaftlichen Charakter der Dinge ab – der eben über ihre konkrete Anschaulichkeit hinausgeht.
Damit ist dann auch klar, dass in einer Gesellschaft, deren Zusammenhang ihrem Wesen nach darin besteht, dass vereinzelte Individuen Arbeitszeit verausgaben und die Produkte ihrer Arbeit sodann miteinander in Beziehung setzen, das Maß dieser Tauschvermittlung die (gesellschaftlich notwendige) Zeit ihrer Arbeitsverausgabung ist – und Arbeit entsprechend das Maß des Wertes.
Diese Bestimmung ist dann im weiteren Verlauf von Marxens Argumentation zum einen die Grundlage für seine Behauptung, dass die Zahlung von Zinsen auf diesen Prozess bezogen sei: da einzelne GeldbesitzerInnen ihr Geld gerade nicht in produktive Verwertungsprozesse anlegen können, stellen sie es Leuten zur Verfügung, die es eben dafür brauchen können. Die im Rahmen dieser Verwertungsprozesse verausgabte Arbeitszeit schafft ökonomischen Wert – der dann zu einem Teil in Form des Zinses an die KreditgeberInnen weitergereicht wird. (Vgl. Kapital III, 496ff.)
Marx führt damit eine Unterscheidung ein zwischen realem Kapital und fiktivem Kapital, das nur in seinem Bezug auf das reale Kapital gedacht werden kann. Diese Unterscheidung ist die notwendige Voraussetzung, um überhaupt von Finanzblasen sprechen zu können. Denn wenn Wert nicht auf Arbeit zurückführbar sein soll, dann bleibt völlig unklar, was genau den Charakter dieser Blase ausmachen soll und wie sie sich von anderen Preisen, die an anderen Märkten erzielt werden, unterscheiden soll. Dass es Finanzblasen gebe, wird nun zwar auch in zinskritischen Zusammenhängen behauptet (etwa auf der Homepage der Initiative für eine Natürliche Wirtschaftsordnung, INWO), allerdings ohne dass hier klar werden würde, was genau damit kategorial gemeint ist.
Anspruch und Wirklichkeit
Das Gegenteil von gut, das wusste schon Kurt Tucholsky, ist gut gemeint. Das gilt nicht zuletzt auch für die Zinskritik. Ihre heutigen ProtagonistInnen sind zumeist von dem Willen beseelt, die Finanzmärkte in ihrer Aktivität und Bedeutung zurückdrängen zu wollen – und präsentieren dafür Lösungsvorschläge, die auf das genaue Gegenteil hinauslaufen.
Ganz grundsätzlich beruhen alle in diesem Bereich verfochtenen Konzepte darauf, durch eine Art Gebühr einen bestimmten Teil des gehorteten Geldes verfallen zu lassen – und so einen Anreiz dafür zu bieten, Geld stets im Wirtschaftskreislauf zu halten – und sei es nur durch die zur Verfügungstellung an andere, also als Kredit. Im Konzept der „Fairconomy“, das die INWO präsentiert, sind daher auch langfristige Anlagen auf dem Kapitalmarkt explizit von der zu erhebenden Gebühr ausgenommen. Damit wäre die Bedeutung des Finanzsektors jedoch keinesfalls geschwächt. Die Gelder würden weiterhin in rentable Investitionen oder wahlweise auch in innovative Spekulationsgeschäfte fließen.
Den Hintergrund der Annahme, ihre Vorschläge würden der Macht des Geldes Einhalt gebieten, bildet ein von der Zinskritik in den Mittelpunkt gerückter Widerspruch innerhalb des Geldmediums, das einerseits Tauschmittel und andererseits Vermögensgegenstand sei. Seine Funktion als Vermögensgegenstand verleite die GeldbesitzerInnen dazu, das Geld nicht auszugeben, sondern knapp zu halten. Die Funktion des Tauschmittels hingegen sei unabdingbar für eine arbeitsteilige Gesellschaft, weshalb sie geschützt werden müsse gegen die vermögensbildende Wirkung des Geldes.
Interessanterweise nimmt auch Marx den Widerspruch von Schatzbildung und Geld als Zahlungsmittel in den Blick. Er folgert daraus jedoch, im Unterschied zur Zinskritik, nicht den Zins, sondern den Mehrwert . Er argumentiert, Schatzbildung sei, als kapitalistisches Formprinzip, quantitativ grenzenlos. Ein Schatz könne nie groß genug sein, da Wert ja gerade für abstrakten, nur quantitativ unterscheidbaren Reichtum stehe. Jede real vorhandene Geldsumme hingegen sei beschränkt, also kleiner als grenzenlos. Dies treibe den Geldbesitzer „stets zurück zur Sisyphusarbeit der Akkumulation“ (Kapital I, 147) und damit zur Produktion von Mehrwert. Fehlt es ihm dafür an Kapital, so kann er es sich leihen – und beteiligt als Dank die KreditgeberInnen am Unternehmensgewinn. Den Hintergrund für diese Betrachtung bildet jedoch der oben bereits skizzierte gesamtgesellschaftliche Blick, der das Geld vor dem Hintergrund seiner systemischen Funktion innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung betrachtet – und nicht als dinghafte, ungesellschaftliche Eigentumschiffre in den Händen beliebiger GeldbesitzerInnen.
Aus handlungstheoretischer Perspektive scheint es jedoch zunächst einleuchtend zu sein, auf die (von realer Gesellschaftlichkeit abstrahierenden) Handlungsoptionen der GeldbesitzerInnen zu schauen. Da das Geld der Zirkulation entzogen werden und somit der Warenaustausch ver- und behindert werden kann, wird das Geld dinghaft als Ursache für alle erdenklichen Übel angesehen. Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Elend, Wirtschaftskrisen, ja selbst Krieg und Umweltzerstörung sollen Phänomene sein, die mit die mit falschem Handling des Geldes, aber nichts mit Warenproduktion zu tun haben. Warenproduktion (die hier zumeist Marktwirtschaft genannt wird) soll unterschieden werden vom Kapitalismus. Der Kapitalismus gilt dabei gewissermaßen als eine Verfremdung der friedlichen einfachen Warenproduktion. Diese wäre möglich, verfügte das Geld nicht über die bedauerliche physikalische Eigenschaft, im Unterschied zu den anderen Waren nicht schlecht zu werden. Denn diese Eigenschaft habe zur Folge, dass über ein Geldmonopol andere MarktteilnehmerInnen gezwungen werden können, Dinge zu tun, auf die sie von alleine niemals kämen.
Die mit der Produktion von Waren für den Markt einhergehenden Phänomene wie der freie Markt mit seiner gegenseitigen Konkurrenz und dem steten Bedachtsein auf den eigenen Nutzen sind in dieser Konzeption nicht Gegenstand der Kritik, sondern der offenen Affirmation. Diese Sichtweise ignoriert, dass hier anonyme und „gegeneinander gleichgültige“ (Marx) KonkurrentInnen aufeinandertreffen. Da die Zinskritik auf Vergesellschaftungsformen baut, die sich hinter dem Rücken der Beteiligten durchsetzen, zielt sie im Ergebnis auf eine Praxis, die doch zunächst der Ausgangspunkt für ihr Aufbegehren war. Wir sehen also, dass Tucholsky mit seiner Behauptung durchaus nicht im Unrecht war.
Feindliche Brüder
Die Auseinandersetzung zwischen GesellianerInnen und MarxistInnen füllt mittlerweile einige Regalmeter in Bibliotheken und zudem diverse Webseiten. In gewisser Weise dreht sich die Kontroverse jedoch seit ihrem Anbeginn im Kreis. Beide Fraktionen beharren auf ihrer Sicht der Dinge und kritisieren am Gegenüber vornehmlich, dass dieses jene nicht teilt. Die Unhaltbarkeit der Gesell’schen Lehre wird dann etwa mit dem Hinweis darauf nachgewiesen, dass deren Thesen denen von Marx widersprechen. Das mag als Anhaltspunkt für MarxistInnen hilfreich sein, um die kritisierte Theorie besser einordnen zu können – über diese Selbstvergewisserung hinaus sagt dieses Vorgehen jedoch nicht viel aus.
Beide Theoreme beruhen auf der Ideologie der einfachen Warenproduktion; nach ihr ist eine friedliche, nicht auf Kapitalvermehrung und Ausbeutung beruhende Arbeits- respektive Tauschgesellschaft möglich. Diese Ansicht teilen die GesellianerInnen – bei aller Feindschaft – mit dem traditionellen Marxismus. Auch hier wurde zumeist davon ausgegangen, mit einer Überwindung der Klassenherrschaft sei auch schon der nötige Grundstein für eine sozialistische Gesellschaft gelegt. In dieser Sichtweise müssen die systemischen Zwänge, an denen etwa die realsozialistischen Planökonomien gescheitert sind, ausgeblendet bleiben. Jedoch wird sowohl von den TraditionsmarxistInnen als auch den ZinskritikerInnen übersehen, dass bereits auf der Ebene einer Konkurrenz einfacher WarenproduzentInnen logisch gezeigt werden kann, dass hier aufgrund der Zwangsgesetze der Konkurrenz die je Einzelnen gezwungen sind, ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit so rational und produktiv wie möglich zu gestalten. Es ist eben diese betriebswirtschaftliche Rationalität, die im Ergebnis in gesellschaftliche Irrationalität umschlägt, die nicht nur den kapitalistischen Wachstumszwang, sondern auch den strukturellen Ausschluss weiter Teile der Menschheit von den Ergebnissen der Produktion mit sich bringt.
Der Marxismus konnte diesen Punkt entsprechend nicht aufgreifen und hat stattdessen auf dem entgegengesetzten Dogma beharrt: er hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass alleine die Arbeit wertschaffend ist, konnte diese Behauptung jedoch nicht mit einer Begründung versehen. Zins und Bodenrente gelten hier zwar als abgeleitete Folgen der Ausbeutung im Betrieb, diese durchaus richtige Erkenntnis konnte jedoch nicht substantiell begründet werden . Und das ist kein Zufall. Beide Strömungen streiten darum, nach welchen Kriterien der einmal geschaffene Reichtum tatsächlich verteilt wird. Die Form der Produktion gerät ihnen dabei nicht einmal mehr in den Blick. Entsprechend konnte für den traditionellen Marxismus die geplante (vermeintlich nicht-ausbeuterische) Warenproduktion ebenso als positiver Ausweg aus dem Kapitalismus gelten wie für die Zinskritik eine Ökonomie mit Geld, das stetig an Kaufkraft verliert und mithin „schlecht wird“. Das jedoch ist, wie Bini Adamczak zurecht bemerkt hat, „nicht der Kommunismus“.
(erschienen in: Streifzüge 54/2012)