von Hermann Engster
Politiker/innen der in deutschen Parlamenten vertretenen Rechten beschwören die Gefahr der „Umvolkung“ Deutschlands, mit „Kopftuchmädchen“ und „Messermännern“ als Vorhut einer vermeintlich drohenden „Islamisierung“ gleich des gesamten Abendlands. Doch ist Rettung in Sicht: „Denn wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, verheißen unisono der aggressiv-pampige Björn Höcke wie sein vornehm-bildungsbürgerlich sich gerierendes Pendant Alexander Gauland von der AfD. Der Göttinger Literaturwissenschaftler Heinrich Detering, einer der zurzeit führenden Germanisten, hat die Rhetorik dieser Komplizen einer kritisch-philologischen Analyse unterzogen, indem er mit dem Verfahren des close reading die propagandistischen Ziele in deren Phrasen zum Vorschein bringt. Er bohrt nach: Wer ist hier „wir“, und was meint „unser Land“? Wer gehört zu diesem „Wir“, und wer gehört nicht zu „unserem Land und Volk“? Wenn Höcke in seiner Dresdner Rede von 2017 seine Zuhörer in die Pflicht nimmt, indem er das Pathos von Churchills gegen die NS-Aggression gerichtete blood-sweat-and-tears-Rede so heuchlerisch wie skrupellos sich zu eigen macht: „Ich will es euch nicht leicht machen. Ich weise dieser Partei einen langen und entbehrungsreichen Weg“ – dann steckt darin, so enthüllt Detering, „das Führerprinzip, geronnen in eine autoritäre Syntax“. – Worum geht es in letzter Konsequenz? Es geht um die Wiederherstellung dessen, was 1945, bekleckert bloß durch einen „Vogelschiss“ (Gauland), verloren gegangen ist. In dem Anspruch, für „das Volk“ zu sprechen, verbergen sich Ermächtigungswahn, Rache- und Vernichtungsphantasien, die auf ihre Verwirklichung warten.
Deterings Essay geht zurück auf seinen Vortrag zu diesem Thema, den er auf dem Katholikentag und unlängst an der Göttinger Universität gehalten hat und der in der Frankfurter Rundschau abgedruckt worden ist. Die Folge war der übliche shit storm im Netz; einige Preziosen dokumentiert Detering im Anhang. – Die Lektüre seines Essays bringt doppelten Gewinn: zum einen das Vergnügen, einem Meister der Philologie bei der Arbeit zuzuschauen, zum andern den Erkenntnisgewinn, wie den Phrasen dieser Hirnvergifter zu begegnen sei. Deterings Sprachduktus ist engagiert, gleichwohl nüchtern. Am Schluss jedoch holt er den Säbel heraus: Gauland, der seinerzeit die Integrationsbeauftragte Aydan Özuǧuz „in Anatolien zu entsorgen“ vorschlug, um die deutsche Kultur vor ihr zu retten – er und Konsorten „gleichen zum Verwechseln Bandenmitgliedern“; und „Gaulands Sprache“ (von der eines Höcke ganz zu schweigen) „… ist bloß der schlecht verkleidete Jargon von Gangstern“. Selten hört man von einem deutschen Professor eine solche knallharte politische Aussage. Aber wie man in Norddeutschland sagt: „Wat mutt, dat mutt.“