19.12.2024 

Die Bremse lockern. Im Bundestagswahlkampf dürften SPD und Grüne die hohen Mieten thematisieren

Von Minh Schredle

Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2024/50 vom 12.12.2024.

SPD und Grüne machen die hohen Mieten zum Wahlkampfthema. Dabei hilft beiden Parteien paradoxerweise, dass sie in der laufenden Legislaturperiode praktisch nichts gegen die Mietsteigerung unternommen haben.

»Jetzt faire Mieten wählen«, appellierte die SPD im Bundestagswahlkampf 2021 und versprach: »Scholz packt das an.« »Angepackt« wurde allerdings statt der Mieten bloß der Wohnungsbau, und auch der nur rhetorisch: Als die Bundesregierung unter Kanzler Scholz ihre Arbeit aufnahm, gab sie als Ziel vor, dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen sollten – wobei Scholz im vergangenen Februar bekräftigte, dass es sich bei dieser Zielmarke eher um die Untergrenze des Bedarfs handle.

Doch gelang es in keinem einzigen Jahr, den eigenen Ambitionen auch nur annähernd gerecht zu werden. 2023 wurden 270.000 Wohnungen fertiggestellt, für das Jahr 2024 prognostiziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nur noch 265.000. Beim sozialen Wohnungsbau wurde der von der Regierung ausgegebene Sollwert von 100.000 neuen Wohnungen im Jahr 2023 nur zur Hälfte erreicht.

Der Neubau stockt also, und auch in anderen Punkten erfüllte die Bundesregierung nicht, was die Wahlprogramme einst versprochen hatten. So wollten die Grünen dem Anstieg der Wohnkosten mit einem bundesweiten “Mietendeckel” begegnen, der die reguläre Mieterhöhung auf höchstens 2,5 Prozent innerhalb eines Jahres begrenzen sollte.

Die SPD stellte im Wahlkampf 2021 ähnlich ambitioniert ein »Programm für bezahlbaren Wohnraum« vor. Darin hieß es: »Wir werden ein Mietenmoratorium für angespannte Wohnungsmärkte einführen und gesetzlich festschreiben, dass die Mieten in den nächsten fünf Jahren nur wenig steigen dürfen.« Diesem Papier zufolge werde die SPD zudem »die Mietpreisbremse auf Dauer festschreiben«.

Die sogenannte Mietpreisbremse wurde 2015 bereits von der großen Koalition verabschiedet. Sie schreibt vor, dass die Miete bei Wiedervermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Dass sie bis 2029 verlängert werden soll, wurde im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP festgelegt. Dort stand außerdem, dass in »angespannten Märkten« die »Kappungsgrenze« auf elf Prozent in drei Jahren gesenkt werden soll – um so viel darf die Miete regulär angehoben werden.

Mietpreisbremse läuft 2025 aus

Am Ende hatten es die Wahlkampfforderung der Grünen – der »Mietendeckel« von höchstens 2,5 Prozent pro Jahr – und das »Mietenmoratorium« der SPD nicht einmal in den Koalitionsvertrag geschafft. Doch selbst was darin enthalten war, hat die Bundesregierung nicht verwirklicht. Die Senkung der Kappungsgrenze wurde wegen des Widerstands der FDP aufgegeben. Und statt einer dauerhaften Mietpreisbremse könnte es künftig gar keine mehr geben. Unter Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist zwar ein Entwurf entstanden, um die Regelung bis 2028 zu verlängern. Ein entsprechendes Gesetz wurde allerdings nicht beschlossen. Die Mietpreisbremse läuft bundesweit spätestens Ende 2025 aus, in Berlin bereits Ende Mai.

Erst nach dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition beschlossen Grüne und SPD nun, den Gesetzentwurf im Bundestag einzubringen. Doch dort wird er wohl keine Mehrheit mehr finden. Die FDP hat angekündigt, dagegen zu stimmen, ebenso die Union und die AfD.

Die Mietpreisbremse könnte damit zum Wahlkampfthema werden. Für SPD und Grüne kommt das wie gerufen: Anstatt sich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ihnen in den vergangenen Jahren nichts gelungen ist, könnten sie nun mit dem Thema hausieren gehen.

Noch stärkere Mieterhöhungen

Kritisiert wird die Mietpreisbremse seit langem von Mietervereinen, weil sie sich leicht umgehen lasse, zum Beispiel durch möblierte Vermietung. Auch gilt sie nicht für neugebaute oder umfassend sanierte Wohnungen.

Eine neue Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zeigt nun, wie schlecht die Bremse funktioniert hat. Anhand von Online-Inseraten wurde untersucht, wie stark die Angebotsmieten zwischen 2014 und 2023 in den 14 größten deutschen Städten pro Jahr gestiegen sind. In Berlin waren es durchschnittlich acht Prozent pro Jahr, in Leipzig 5,2 Prozent und in Dortmund 4,5 Prozent.

Trotz dieser enormen Steigerungen kündigte Lars von Lackum, der Vorstandsvorsitzende des Immobilienkonzerns LEG, dem in der Bundesrepublik 167.000 Wohneinheiten gehören, im Handelsblatt an: »Wir werden die Mieten 2025 noch etwas stärker erhöhen.«

Linkspartei fordert Verbot von Mieterhöhungen

Gesa Crockford, Geschäftsführerin des Immobilienportals Immoscout24, meinte deshalb schon, »der starke Anstieg der Mieten« mache »den Immobilienkauf als Investment oder Eigenheim immer attraktiver«. Dieses Investment muss man sich freilich leisten können – nach dem »Liquiditätsbarometer 2024«, einer repräsentativen Befragung der Firma Team Bank, verfügen 48 Prozent der Deutschen über weniger als 2.000 Euro an Rücklagen.

»Wohnen ist die neue soziale Frage«, sagte kürzlich der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Seine Partei hat jedoch insbesondere eine Zielgruppe im Blick: Der Erwerb eines Eigenheims soll durch zusätzliche Steuervergünstigungen schmackhaft gemacht werden. »Besonders sollen Familien mit niedrigen oder mittleren Einkommen unterstützt werden, wenn sie zum ersten Mal ein Haus kaufen«, hieß es im Programm für »bezahlbares Wohnen« vom März. Ansonsten will die Union – wie auch AfD und FDP – Baukosten senken, vor allem durch »Bürokratieabbau«, also herabgesetzte Standards insbesondere bei den Energiesparauflagen. »Mehr Wohnungen bauen, ist die beste Mietpreisbremse«, meinte Spahn kürzlich.

Am weitesten gehen die Forderung der Linkspartei, die sie vergangene Woche in einem Positionspapier vorstellte. Demnach soll es ein komplettes Verbot von Mieterhöhungen für die kommenden sechs Jahre geben. Jährlich soll der Staat außerdem 20 Milliarden Euro in Sozialwohnungen investieren.

Dem BSW fällt im ohnehin nur vier Seiten umfassenden Parteiprogramm nicht viel Konkretes zum Thema Wohnen ein, außer zu beklagen, dass Wohnungen »an Renditejäger verscherbelt« würden und dass Migration zu verschärfter »Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum« führe, weshalb »unser Land« aufpassen müsse, »nicht überfordert« zu werden.