16.08.2024 

Welche Arbeit schafft den Wert? Zum Unterschied zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit (krisis 2/2024)

Peter Samol

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Zusammenfassung

Bis heute wurde die Frage, wie sich die marxsche Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit begründen lässt, nicht zufriedenstellend beantwortet. Marx selbst hat sich an keiner Stelle seines umfangreichen Gesamtwerks abschließend zu diesem Thema geäußert. Jedoch stellt diese Unterscheidung ein wichtiges theoretisches Element zur Analyse des spätkapitalistischen Krisengeschehens dar. Bei unproduktiven Arbeiten handelt es sich um bestimmte, für den Kapitalismus und dessen Funktionieren unverzichtbare Arbeiten, die aber keinen Mehrwert schaffen und deswegen selbst nicht substanziell zur Kapitalakkumulation beitragen. Ihr Gegenstück sind produktive Arbeiten, die direkt zur Vermehrung des Werts beitragen und somit die Akkumulation von Kapital ermöglichen, die das einzige und eigentliche Ziel der kapitalistischen Produktion darstellt. Die ursprünglich lebendige Arbeit verwandelt sich dabei in tote Arbeit und somit in Kapital.

Nun stellt sich die Frage, wie genau sich unproduktive Arbeiten von den (mehrwert-) produktiven Arbeiten unterscheiden lassen. Zu ihrer Beantwortung dienen zwei Kriterien. Das erste davon gilt im marxschen Diskurs allgemein als unstrittig: Es besagt, dass eine Arbeit in einem Kapitalverhältnis verrichtet werden muss, um überhaupt Mehrwert schaffen zu können. Ohne Kapital, das sich den Mehrwert aneignet, kann es schlicht keinen Mehrwert und schon gar keine Kapitalakkumulation geben. Wenn das erste Kriterium nicht erfüllt ist, dann kann eine Arbeit per se nicht produktiv sein. Das leuchtet ein. Nun gibt es aber auch unproduktive Arbeiten, die innerhalb eines Kapitalverhältnisses verrichtet werden. Um diese als unproduktiv zu erkennen, bedarf es eines weiteren Kriteriums. Ein solches ist bis heute nicht eindeutig formuliert worden. Im vorliegenden Text geht es daher vor allem darum, dieses fehlende zweite Kriterium zu entwickeln und zu formulieren. Ausgangspunkt ist dabei die Einsicht, dass das Kapital bestimmte Arbeiten benötigt, um seine eigenen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu sichern (Verkauf der Waren, Buchhaltung, Rechtsberatung etc.) und für die es selbst bezahlen muss. Diese Arbeiten sind insofern unproduktiv, als ihr konkreter Inhalt ganz den konkreten und spezifischen Bedürfnissen des Kapitals dient. Die entscheidende Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wer verzehrt bzw. verbraucht das Endprodukt – das Kapital oder die Menschen? Im Ersten Fall geht mit dem Verbrauch der Wert verloren bzw. entsteht erst gar nicht, im zweiten Fall bleibt der Wert (samt Mehrwert) erhalten und geht in der Folge in die Akkumulation des Kapitals ein.

Gegen Ende dieses Artikels folgt noch ein kurzer Blick auf das heutige kapitalistische Entwicklungsstadium, das als Zeitalter der fiktiven Kapitals bezeichnet werden kann. Dieses ist geprägt durch einen hohen Anteil unproduktiver Arbeiten, von denen viele jedoch auf ihre ganz eigene eigentümliche Art und Weise zum Systemerhalt bzw. zum Krisenaufschub beitragen. Dieses Moment wird daher einer kurzen Analyse unterzogen.