26.01.2025 

Mit einem Bein im Büro. Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben

Von Ernst Lohoff

Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/01 vom 02.01.2025

Die Angestellten einiger großer Unternehmen müssen in diesem Jahr wieder vermehrt in Präsenz arbeiten. Mit einem großen Trend zurück ins Büro ist allerdings nicht zu rechnen. Dafür profitieren die Unternehmen zu sehr vom Homeoffice.

Die Covid-19-Pandemie mag schon fast vergessen scheinen, aber die gesellschaftlichen Veränderungen, denen sie zum Durchbruch verhalf, wirken fort – auch in der Arbeitswelt. Vor der Pandemie war das Homeoffice noch ein Randphänomen. Mit der Ausrufung des ersten sogenannten Lockdowns in Deutschland im März 2020 schnellte der Anteil der Beschäftigten, die ganz oder vorwiegend von zu Hause aus arbeiten, von unmittelbar zuvor knapp vier auf 27 Prozent im April 2020 hoch.

Die Verpflichtung, möglichst viele Angestellte im Homeoffice arbeiten zu lassen, ist längst Geschichte, dennoch ist deren Anteil bisher nur unwesentlich auf 23,5 Prozent zurückgegangen, in anderen Ländern sieht das ähnlich aus. Steht die große Rückkehr in die Büros noch bevor oder ist das Homeoffice gekommen, um zu bleiben?

Heftige Proteste bei SAP

Einige Unternehmen haben den Übergang zu restriktiveren Präsenzregelungen angekündigt oder ihn bereits vollzogen. Der Versandhändler Otto hatte es bisher seinen Angestellten überlassen, von wo aus sie arbeiten. Seit Jahresbeginn haben die Angestellten für die Hälfte der Arbeitszeit Präsenzpflicht. Bei der Deutschen Bank und dem Software-Unternehmen SAP sollen die Angestellten künftig maximal zwei Tage in der Woche in den eigenen vier Wänden arbeiten dürfen.

Bei den SAP-Angestellten haben die Pläne heftige Proteste ausgelöst. Die Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wünscht sich offenkundig Wahlfreiheit. Viele haben das Homeoffice schätzen gelernt. Die einen ersparen sich nur zu gerne den Berufsverkehr, die anderen begrüßen die neue Arbeitsform als Erleichterung dabei, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Kontrollzwänge

Die weitere Entwicklung hängt freilich weniger von den Bedürfnissen der Arbeitnehmerschaft ab als von denen des Kapitals. Dessen Vertreter zeigen sich in dieser Frage indes gespalten. Eine nicht allzu große, aber lautstarke Fraktion betrachtet das Homeoffice als Teufelswerk. „Hören Sie auf mit ihrem Homeoffice-Bullshit“, donnerte Elon Musk in einem Interview mit CNBC und erklärte die neue Arbeitsform gleich für unmoralisch. Dass das Thema Musk den Schaum vor den Mund treten lässt, kann nicht weiter überraschen: Im Homeoffice unterliegen die Angestellten nicht mehr die gesamte Arbeitszeit hindurch dem unmittelbaren Zugriff ihrer Vorgesetzten. Das ist für einen Kontrollfreak, der seine Firmen wie ein Sektenguru führt, ein unerträglicher Zustand. Ausgeprägter Kontrollzwang dürfte auch hinter dem Verdikt von Wolfgang Grupp, dem ehemaligen Inhaber des Textilunternehmens Trigema, stehen, der Anfang Oktober dem Tagesspiegel sagte: „Homeoffice gibt’s bei mir nicht. Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“

Real-Life-Begegnungen steigern die Produktivität

Wichtiger für die weitere Entwicklung dürfte die Homeoffice-Skepsis eines Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sein. Unter dem Verlust der räumlichen Nähe, so sein Hauptargument, leide die Zusammenarbeit der Mitarbeiter und die sei nun einmal entscheidend für das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis. In der Tat: Nicht nur für weniger routinierte Mitarbeiter ist die Möglichkeit schneller Rücksprache mit Kollegen wichtig; ganz allgemein gilt, dass die informelle Kommunikation, auch über Teamgrenzen hinweg, für eine reibungsarme Kooperation essentiell ist. Aus diesem Grund würde sich zumindest das Vollzeit-Homeoffice in den meisten Bereichen negativ auf die Produktivität auswirken. Beim Gros der Verwaltungsberufe dürfte es sich aber als das Zukunftsmodell erweisen, die Arbeitszeit zwischen Homeoffice und Büro aufzuteilen.

Keine Abkehr vom Homeoffice

Mit einer breit angelegten Abkehr vom Homeoffice ist jedenfalls nicht zu rechnen. Dazu hat die Arbeit daheim für das Kapital zu viele attraktive Seiten. Das beginnt damit, dass die Nutzung der eigenen vier Wände als Arbeitsplatz letztlich auf ein Outsourcing von Kosten hinausläuft. Mit der Ausbreitung des Homeoffice sinkt tendenziell der Bedarf an teuren Büroflächen. Das Ifo-Institut rechnet damit, dass in den größten deutschen Städten aufgrund der wachsenden Bedeutung von Homeoffice die Nachfrage nach Büroflächen bis 2030 um zwölf Prozent zurückgehen werde.

Wichtiger ist allerdings ein anderer Faktor. Die meisten Betriebe, die zur Präsenzpflicht zurückgekehrt sind, machen damit schlechte Erfahrungen. Einer Studie der Uni Konstanz zufolge brachte die Abschaffung des Homeoffice keine Leistungssteigerung, sondern nur mehr Belastungs- und Erschöpfungssymptome und einen höheren Krankenstand. Ob die Schlussfolgerung der Forscher und Forscherinnen stimmt, dass Homeoffice gesünder sei als arbeiten im Büro, kann dahingestellt bleiben; vielleicht steigt der Krankenstand in Präsenzarbeit ja in erster Linie, weil die Beschäftigten sich kränkelnd zu Hause eher an den Schreibtischen setzen als im Büro. So oder so profitieren die Unternehmen vom Rückgang der Fehlzeiten. „Die Coronapandemie hat Homeoffice von einer Ausnahme zu einem wichtigen Bestandteil des Arbeitsalltags gemacht“, resümierte Jan Goebel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Kapitalseite dürfte nicht so dumm sein, die Uhr wirklich zurückzudrehen.