19.02.2025 

Wer will schon wohnen? – Im Wahlkampf ist Wohnungspolitik kein Thema

Von Peter Samol

Ursprünglich erschienen in der Jungle World 2025/07 vom 13.02.2025

Die Mieten steigen immer weiter. In Ballungsräumen wird bezahlbarer Wohnraum zur Rarität. Der Handlungsbedarf ist riesig, aber im Bundestagswahlkampf spielt das Thema Wohnen keine Rolle.

Die Mieten steigen. Einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge erhöhten sich die Durchschnittsmieten im vierten Quartal vergangenen Jahres um 4,7 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2023. Besonders stark stiegen sie demnach mit 8,5 Prozent in Berlin, 8,2 Prozent in Essen und acht Prozent in Frankfurt am Main. Für 2025 erwartet das IW weitere Steigerungen.

Das macht immer mehr Menschen zu schaffen. Jeder dritte Mieterhaushalt ist laut dem Deutschen Mieterbund (DMB) bereits mit den Wohnkosten überlastet. Mehr als drei Millionen Haushalten zahlen demnach mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für Kaltmiete und Heizkosten, bei weiteren rund 4,3 Millionen Haushalten liegen die Kosten zwischen 30 und 40 Prozent des Einkommens.

Vom Wohnungsbau ist keine Abhilfe zu erwarten. Das IW spricht von gerade mal 260.000 fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr; dieses Jahr erwartet es nur 230.000. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie prognostiziert sogar nur die Fertigstellung von 150.000 bis 200.000 Wohnungen; 400.000 pro Jahr hatte sich die Bundesregierung 2021 als Ziel gesetzt.

Grund sind mitunter die Baupreise. Während die Lebenshaltungskosten von 2000 bis 2024 um 60 Prozent zugelegt haben, ist das Bauen im selben Zeitraum um satte 144 Prozent teurer geworden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein Bauwerk nach dem deutschen Bauvertragsrecht grundsätzlich nach den »anerkannten Regeln der Technik« errichtet werden muss, wozu auch Normen zählen, die über die Mindeststandards hinausgehen, keinen Einfluss etwa auf Sicherheitsfragen haben und somit auch nicht gesetzlich vorgegeben sind. Abhilfe sollte das Gebäudetyp-E-Gesetz der Bundesregierung schaffen. Der Gesetzesentwurf sah vor, dass „reine Komfort- und Ausstattungsstandards nur dann vertraglich eingehalten werden müssen, wenn beide Vertragsparteien sich ausdrücklich darauf verständigt haben”. Damit wollte die Bundesregierung einfacheres Bauen erleichtern. Am 6. Dezember wurde der Entwurf beschlossen und an den Bundestag überwiesen. Wegen des Bruchs der Ampelkoalition wird das Gesetz nun allerdings nicht mehr zustande kommen.

Mehr Wohnraum bedeutet nicht, dass der auch bezahlbar ist. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich die Grundstückspreise zwischen 2013 und 2023 fast verdoppelt. Das setzt einen starken Anreiz, teure Immobilien zu errichten, um die Grundstückskosten rasch wieder hereinzuholen. 2024 sanken die Bodenpreise leicht, was der Hauptgrund dafür sein dürfte, dass auch die Kaufpreise für Wohnimmobilien leicht gesunken sind. Da jedoch die Entwicklung der Mieten durch viele Regelungen verzögert wird, dürfte es noch lange dauern, bis deren nachholender Anstieg enden wird. Laut Stiftung Warentest dürfen Bestandsmieten innerhalb von drei Jahren maximal um 20 Prozent erhöht werden und auch nur bis zur Höhe der örtlichen Vergleichsmiete als Obergrenze. Letztere bewegt sich aufgrund von hinzukommenden Neuvermietungen zwar stetig nach oben, ist aber langsamer als die Kaufpreise.

Um das Wohnen bezahlbar zu halten, müsste die Mietpreisentwicklung gezielt gedrosselt werden. Ein wichtiges Element hierfür sind Sozialwohnungen. Ein hoher Bestand würde viel Druck aus dem Wohnungsmarkt nehmen. Aber die Zahl von Sozialwohnungen sinkt seit Jahrzehnten. Gab es 2006 noch zwei Millionen, gibt es mittlerweile nur noch knapp 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Immer mehr Wohnungen fallen aus der Sozialbindung, während zu wenig neue entstehen. Von den 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr, die die Regierung sich als Ziel gesteckt hatte, waren 100 000 als Sozialwohnungen geplant. Gebaut wurden im Jahr 2023 nur 23 000 Sozialwohnungen, laut Schätzungen des Deutschen Mieterbundes (DMB) sind im gleichen Zeitraum ca. 41.000 Wohnungen aus der Sozialbindungen gefallen.

Dem IW zufolge befürwortet eine große Mehrheit der Deutschen einen Mietenstopp. Trotzdem ist es kein Thema im Bundestagswahlkampf. Die Parteien befassen sich lieber mit dem Thema Migration. Um die Positionen der Parteien zur Wohnungsfrage zu erfahren, muss man schon die Wahlprogramme lesen, was bekanntlich nur wenige tun. Dankenswerter Weise hat der DMB die Programme der Parteien einem Check unterzogen und sie mit Ampelfarben bewertet.

AfD und FDP bewertet der DMB mit Rot. Beide wollen die sogenannte Mietpreisbremse abschaffen, womit die Preise bei Neuvermietungen beliebig erhöht werden könnten. Die AfD will mehr Mieter zu Eigentümern machen und „Einheimische bevorzugen“; jede Form der Mietenregulierung lehnt sie ab. Die FDP bezeichnet die Mietpreisbremse als „Investitionshindernis”, obwohl sie gilt nur für Häuser gilt, die bis Oktober 2014 fertiggestellt wurden.

CDU und CSU sind mit Gelb bewertet. Die Unionsparteien äußern sich nicht konkret und wollen nur, dass geltende Regeln eingehalten werden. Wohnungseigentum soll gefördert und Vermieter, die deutlich weniger als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen, sollen mit geringeren Steuern belastet werden.

Grün bekommen SPD, Grüne, BSW und Linkspartei. Die SPD will Bürokratie abbauen und viel Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken. Die Mietpreisbremse, die nach bisherigem Stand Ende 2025 ausläuft, soll unbefristet gelten und auch für Immobilien, die bis 2019 gebaut wurden, gelten. Die Grünen wollen die Mietpreisbremse ebenfalls verlängern und ausweiten. Das BSW will große Teile des Wohnungsangebots an gemeinnützige und kommunale Eigentümer übergeben und diese mit günstigen Krediten fördern. Außerdem fordert sie einen »Mietendeckel« für Gegenden, in denen Wohnraum knapp ist. Die Linkspartei ist für umfangreiche Mietregulierungen, die Enteignung großer Wohnungskonzerne und einen bundesweiten »Mietendeckel«. Insgesamt kommt der Mieterbund zu dem Fazit, dass die Linkspartei mit Abstand das umfangreichste und mieterfreundlichste Programm verfolge, während die von SPD, Grünen und BSW lediglich „ambitioniert” seien.